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Konzentriert. Platte für Platte setzt Elke Kurze den Hilfsstromschalter zusammen. Seit 2003 arbeitet sie in den Werkstätten.

© M. Thomas

Landeshauptstadt: Stapelware für Siemens

Seit 2004 stellen die Aktiva Werkstätten des Oberlinhauses für den Industriekonzern Hightech-Schalter her. Genau eine halbe Million Stück waren es bisher

Von Sarah Kugler

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Es erinnert ein wenig an das Bauen mit Legosteinen, wenn Elke Kurze ihrer Arbeit nachgeht: Nacheinander stapelt sie eine kleine viereckige Platte auf die nächste, so lange, bis ein mittelgroßer beiger Turm entstanden ist. Dabei ist höchste Konzentration gefragt, denn die 45-Jährige baut natürlich keine Legotürmchen, sondern setzt in den Aktiva Werkstätten des Oberlinhauses auf Hermannswerder gemeinsam mit 25 Kollegen Kontaktstücke zu sogenannten Hilfsstromschaltern für die Firma Siemens zusammen.

Seit 2004 besteht die Zusammenarbeit zwischen Siemens und den Aktiva-Werkstätten, die seit 20 Jahren Menschen mit psychischen und suchtbedingten Erkrankungen sowie Autismus in ganz unterschiedlichen Bereichen beschäftigen. Etwa 400 Beschäftigte arbeiten dabei in den verschiedenen Werkstätten des Oberlinhauses, die insgesamt einen Jahresumsatz von etwa sieben Millionen Euro erbringen. Die Hilfsschalter werden dabei in den Werkstätten in der Leiterstraße hergestellt, in der insgesamt 41 Beschäftigte arbeiten. „Wir haben damals mit einer kleinen Produktion angefangen, nur zwei Schaltertypen in etwa hundertfacher Ausführung hergestellt“, so Aktiva-Werkstätten Geschäftsführer Daniel Klappenbach. „Sowohl wir als auch Siemens mussten ja erstmal schauen, ob das überhaupt funktioniert.“

Nach einem halben Jahr Testphase waren alle überzeugt, die Produktion lief weiter – und zwar so gut, dass die Werkstätten inzwischen die einzigen Hersteller der Hilfsstromschalter für Siemens sind. Eingesetzt werden sie, wie der Name sagt, als Hilfsschalter in großen Anlagen, wie etwa Hochspannungsleitungen oder auch großen Bergbaubaggern. Am gestrigen Donnerstag übergaben die Werkstätten nun den 500 000sten Schalter an die Firma – eine Zahl, auf die alle Beteiligten sehr stolz sind, wie Klappenbach sagte. „Pro Jahr stellen wir etwa 60 000 Schalter her, das ist schon eine großartige Leistung. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir die Millionen auch vollmachen.“

Auch Elke Kurze ist davon überzeugt. Sie ist bereits seit 2003 in Hermannswerder beschäftigt und war gleich von Anfang an in der Schalterproduktion eingesetzt. Wie sie erklärt, gibt es verschieden große Typen, die aus zwei bis 26 Ebenen zusammengesetzt werden. Am Ende werden alle Teile mit einem Druckluftschrauber zusammengeschraubt und einer elektrischen Prüfung unterzogen. „Wir kleben dann auch noch Aufkleber rauf, sodass die Elektriker am Ende wissen, wo welche Anschlüsse sind“, so Kurze, die wie viele der Beschäftigten in einer eigenen Wohnung in Potsdam lebt und etwa 15 Minuten zum Zusammenbauen eines größeren Hilfsschalters benötigt.

Zur Arbeit kommt sie jeden Tag um 7 Uhr, an fünf Tagen die Woche. Wie Barbara Scheibler vom Sozialen Dienst erklärt, ist diese Regelmäßigkeit extrem wichtig für die Beschäftigten, um in einen normalen Alltag reinzufinden. Allerdings seien die Arbeitszeiten etwas aufgelockert: „Es gibt mehrere Pausen, in denen alle zusammen essen oder auch eine Zigarette zusammen rauchen“, sagt sie. Insgesamt arbeiten die Beschäftigten jeden Tag sechs bis sieben Stunden, direkt am Arbeitsplatz seien sie in der Regel aber nicht länger als eineinhalb Stunden am Stück. „Es ist alles nicht ganz so streng bei uns, wenn jemand sich nicht gut fühlt oder einfach kurz aussetzen möchte, dann geht das auch“, so Scheibler. Auch in eine andere Abteilung könne bei Wunsch gewechselt werden, denn in den Werkstätten werden unter anderem Gashandgriffe oder Designerlampen hergestellt. Letzteres erfordere sehr viel Fingerspitzengefühl, wie Heiko Ewert erklärt. Der 48-Jährige hat vor sieben Jahren von der Schalter- zur Lampenherstellung gewechselt und ist nun einer von drei Beschäftigten, die Designleuchten für die Firma Mawa Design zusammenbauen. „Die Teile sind höchst empfindlich, man sieht jeden Fingerabdruck, deswegen darf man auf bestimmte Flächen nicht rauffassen“, so Ewert. Für ihn sei diese Arbeit genau das Richtige und nochmal eine etwas größere Herausforderung als die Schalter.

Kurze hingegen ist zufrieden mit ihrem Job und fühlt sich auch in ihrem Team sehr wohl, wie sie sagt. Konflikte gebe es zwar auch ab und zu, zum Beispiel wenn jemand seine Pause zu lang nehme und andere sich darüber beschweren, aber das würde sich immer schnell klären. Um genau solche Dinge zu klären, gibt es in den Werkstätten auch Gesprächsrunden und darüber hinaus viele begleitende Maßnahmen, wie etwa Computerkurse, Yoga oder Gärtnern. „Dabei kommen auch Beschäftigte zusammen, die sonst nicht miteinander arbeiten“, so Scheibler. „Wir arbeiten dabei sehr mit dem Gedanken der Inklusion.“ Sie freut sich besonders, die Entwicklung der Beschäftigten dabei zu sehen, die nach und nach in einen geregelten Alltag zurückkehren. Manchmal gelingt es sogar, jemanden wieder in die normale Arbeitswelt zu integrieren: Etwa zwei Beschäftigte pro Jahr schaffen den Absprung.

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