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„Sehsüchte“: Studentenfilme setzen heute verstärkt auf prominente Darsteller
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Das fällt schon auf. Die „Sehsüchte“ haben eine enorme Entwicklung genommen. Damals, vor 16 Jahren, als das einstige FDJ-Filmfestival in „Sehsüchte“ umgetauft wurde, saß man im nahezu leeren Filmmuseum und sah einen Dokumentarfilm, in dem stundenlang die Sezierung menschlicher Leichen gezeigt wurde. Danach war einem schlecht, aber man war auch ein wenig stolz: Grenzerfahrung, Tabubruch und so weiter. Die Darsteller in den anderen Studentenfilmen jener Tage waren meist Amateure, von denen man nie wieder etwas hörte.
Heute hingegen sitzt man schon nachmittags im gut gefüllten großen Thalia-Saal und kommt gar nicht mehr mit dem Zählen der Filmgrößen hinterher. Kurz nachdem Tatort-Kommissar Andreas Hoppe als Speditionschef seinen von Clemens Schick gespielten Fahrer die Leviten gelesen hat, tauchen in dem Film „Transit“ (von Philipp Leinemann/HFF München) auch noch die Filmgesichter Jürgen Vogel, Bernd Michael Lade (treffend als Zuhälter) und Annika Blendl auf. Der Film wäre sicher auch mit anderen Schauspielern spannend gewesen, doch die Filmgrößen tragen unweigerlich zum kinotauglichen Gesamteindruck bei.
Steigern kann diesen Eindruck sogar noch der Kurzfilm „Raju“ von Max Zähle (Hamburg School), in dem ein deutsches Ehepaar das indische Waisenkind Raju adoptiert. Als der Junge verschwindet, kommt es heraus, dass er kein Waisenkind ist, dass er vielmehr gekidnappt wurde, um verkauft zu werden. Der Junge taucht zwar wieder auf, doch das Problem ist damit nicht aus der Welt. „Raju hat Eltern“, sagt der Mann zu seiner Frau (Julia Richter). Sie will das Kind nicht mehr hergeben, doch der brillant von Wotan Wilke Möhring gespielte Vater in spe kann damit nicht leben. Auch hier bilden zwei bekannte deutsche Schauspieler das Zentrum des Films, verkörpern die Geschichte mit einer Intensität, wie es von jungen Nachwuchstalenten kaum erreicht werden dürfte. Der Film, den der Hamburger Filmstudent Max Zähle mit zwei Kommilitonen verwirklicht hat, hat es sogar in die Endrunde des diesjährigen Studenten-Oscars geschafft, die Entscheidung fällt am 20. Mai.
Sich mit bekannten Gesichtern zu schmücken, scheint bei Studentenfilmen geradezu in Mode zu sein. So tauchen etwa die beiden Fußballstars Hamit Altintop und Philipp Lahm in einer kurzen Szene in dem grandiosen Kurzfilm „Seppi & Hias“ auf. Der Film kommt allerdings auch locker ohne den Promi-Auftritt aus. Denn der Filmemacher Emre Koca, selbst ein in Oberbayern aufgewachsener Türke, bringt das ewige Streitthema Integration so unverkrampft rüber, dass man sich fragt, worüber eigentlich die ganze Zeit gestritten wird. Der kleine Seppi wird in einer beschaulichen bayrischen Idylle groß, in der Tradition groß geschrieben wird. Er isst lieber mit seinem Freund Hias Leberkäs-Semmeln, als sich von seinem türkischen Onkel anzuhören, dass Schweinefleisch Sünde ist. Auf der anderen Seite treibt sein katholischer Freund Hias seinen Schabernack mit der Kirche. Am Ende finden die beiden ihren ganz eigenen Weg durch eine Welt von überkommenen Konventionen und Pauschalurteilen.
Auffallend sind in diesem Jahr auf den „Sehsüchten“ auch die Filme der eigenen Hochschule, der HFF Potsdam. So hat beispielsweise der Babelsberger Filmstudent Andreas Kannengießer mit „Vergiss dein Ende“ einen sehr anrührenden Film zum Thema Demenz gedreht. Auch dies prominent mit zwei ehemaligen Defa-Stars besetzt. Hannelore („Solo-Sunny“-Star Renate Krößner ) hat vier Jahre ihren dementen Mann Klaus (Hermann Beyer) gepflegt, bis sie eines Tages nicht mehr kann und ausbricht. Jetzt muss der Sohn Heiko (Eugen Krößner) zum ersten Mal in seinem Leben Verantwortung übernehmen. Was nicht unbedingt gelingt. Dass die Familie so authentisch wirkt, liegt vielleicht auch daran, dass der Darsteller des Sohns tatsächlich Kind seiner Filmeltern ist. Wirklich stark macht den Film, der derzeit in den Kinos läuft, aber die eindringliche Schilderung des Konfliktes, in dem die Mutter steckt. Sie muss sich durch den Pflegefall ihr Leben zwischen Pflichtgefühl, Liebe und Freiheitsdrang neu zusammenbauen. Jan Kixmüller
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