Landeshauptstadt: „Steigen Sie ein – wir fahren Sie hin“
Sightseeing mit dem 695er – Potsdamer Buslinie fährt wichtige Sehenswürdigkeiten an
Stand:
Sightseeing mit dem 695er – Potsdamer Buslinie fährt wichtige Sehenswürdigkeiten an „Fahren Sie nach Sanssouci?“ Diesen Satz hört Dieter Stelter am häufigsten. Der 55-jährige Busfahrer steuert den 695er vom Hauptbahnhof Potsdam zum Bahnhof Pirschheide. Mit der Linie, die tagsüber im 20-Minuten-Takt fährt, sind viele wichtige Sehenswürdigkeiten der Landeshauptstadt zu erreichen , darunter Brandenburger Tor und Jägertor, die russische Kolonie Alexandrowka, Schloss und Park Sanssouci, Historische Mühle und Orangerie. „Die meisten Leute wollen zum Schloss und natürlich wieder zurück“, erzählt Stelter. Er sei gern auf dieser Linie unterwegs. „Die Touristen sind alle in Hochstimmung, und ich sehe immer andere Gesichter – es wird nie langweilig“, berichtet der Busfahrer. Dass die Gäste aus dem In- und Ausland viele Fragen haben, stört ihn nicht. Das gehöre zu seinem Job doch dazu. Er müsse allerdings den Fahrgästen und dem Fahrplan gerecht werden. Manchmal reicht die Zeit aber auch für einen Rat. „Ich empfehle den Touristen am Neuen Palais auszusteigen“, sagt Stelter. Von dort aus zeige sich Schloss Sanssouci so schön wie auf der Postkartenansicht. Nellie und Ageeth aus Holland wollen dies gerne genießen. Die beiden Frauen sind für einen Tagestrip von Berlin nach Potsdam gekommen. Auch Simonetta Ricci und Moreno Guiliani aus dem italienischen Perugia zieht es zum Schloss. „Wo wir ein- und aussteigen hängt von drei Dingen ab: Füße, Hitze, Durst“, sagt Norbert Koll aus Aachen. Der 58-Jährige hat den Fotoapparat, seine Frau Anne den Reiseführer dabei. Margret Rückert hat ihre Ausrüstung im Rucksack: Wasserflasche, Sonnenhut und Proviant. Die 61-Jährige gehört zu einer 45-köpfigen Reisegruppe aus Wiesbaden, die sich im Bus drängelt. „Wir sind in Zeitdruck, wollen unsere Führung durch das Schloss noch erreichen“, sagt Rückert. 162 Menschen passen laut Stelter in den Bus. Vor allem am Wochenende passiere es schon mal, dass der Wagen voll sei und er niemanden mehr mitnehmen könne, sagt er. Das melde er aber per Funk an die Leitstelle des Verkehrsbetriebs Potsdam weiter. Von dort wird bei Bedarf Verstärkung geschickt. Der Busfahrer beschreibt sich selbst als ruhigen Mensch: „Mir platzt nur der Kragen, wenn die Leute ihre Füße auf den Sitz legen oder den Hund darauf setzen.“ Potsdamer Fahrgäste fühlen sich von dem vollen Bus offenbar nicht gestört. „Morgens treffe ich nur die arbeitende Bevölkerung“, sagt eine junge Frau, die in Potsdam jobbt. Heute sei sie zwei Stunden später dran, die Touristen störten sie aber überhaupt nicht. Auch der Mann, der im Gewimmel seine Zeitung liest, wirkt entspannt. „Ich höre immer sehr interessante Gespräche mit“, sagt er lächelnd. Am Schloss Sanssouci leert sich der Bus plötzlich schlagartig. Studentin Anne sitzt als eine der wenigen Fahrgäste noch drin. „Früher bin ich täglich mit dem 695er zur Uni gefahren“, sagt die 27-Jährige. Heute lebe sie in Köln und wolle nur schnell ihre Magisterarbeit abgeben. Am Neuen Palais steige sie aus. Auf dem Rückweg vom Bahnhof Pirschheide steigt Markus Ackermann aus Ulm in den noch leeren Bus. Er komme gerade aus Sanssouci, sei aber wegen der Touristenmassen vom Schloss geflüchtet, sagt der 30-Jährige. Jetzt wolle er zum Neuen Garten. Ihm fehlt das Kleingeld für den Fahrkartenautomaten. Nach einer Durchsage von Busfahrer Stelter wechseln ihm zwei ältere Damen einen Schein. Am Hauptbahnhof wartet unterdessen schon die nächste Menschentraube mit Sonnenhüten und Reiseführern bewaffnet ungeduldig auf den 695er. An einer Seite des Busses ist zu lesen: „Schloss und Park Sanssouci. Steigen Sie ein – wir fahren Sie hin“. ddp
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: