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Grabmal für getötetes Baby: Stein mit Störung

Die Steinmetze nennen es „Störung“ – eine rostrote Ader zieht sich durch den wuchtigen Granit-Klops, der am gestrigen Montag auf dem Bornstedter Friedhof seinen endgültigen Platz gefunden hat.

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Potsdam - Was den Stein für andere Denkmale oder die Verwendung in einem Gebäude unbrauchbar macht, entfaltet hier in Bornstedt eine bewegende symbolische Bedeutung: Denn er markiert das Grab des namenlosen getöteten Mädchens, dessen Leichnam kurz vor Weihnachten in Potsdam-West entdeckt wurde. Bei den Hintergründen der Tat oder der Identität der Eltern des Säuglings tappt die Polizei immer noch im Dunkeln. Das Mädchen war unter großer Anteilnahme im Februar auf dem Bornstedter Friedhof beigesetzt worden (PNN berichteten).

Jetzt, vier Monate später, ist das provisorische Holzkreuz auf dem Grab durch die Skulptur des Berliner Steinmetz’ Michael Spengler ersetzt worden. 400 Kilogramm bringt das „Denkwerk“, wie Spengler seine Arbeit nennt, auf die Waage. Finanziert wurde es mit Spenden: Rund 2500 Euro seien dafür in den vergangenen Monaten eingegangen, sagt Jutta Erb-Rogg, die Friedhofsleiterin. Noch jetzt habe sie am Grab des getöteten Kindes täglich Gespräche mit Besuchern – sowohl Potsdamer als auch Touristen fragten nach dem Schicksal des Kindes, drückten ihr Unverständnis aus, schmückten das Grab mit Kerzen, Kuscheltieren oder Engelsfiguren. „Das geht gleich in die Tiefe“, berichtet die Friedhofsleiterin. Sie versteht den neuen Grabstein auch als Warnung davor, dass nicht weitere Kinder „tot gemacht werden, nur weil sie stören“.

Den Stein – einen Findling – entdeckten Michael Spengler und Jutta Erb-Rogg in einem Steinbruch in Hohensaaten an der Oder. „Es ist dieses Kaputte, Verworfene, Weggeworfene, das uns gleich angesprochen hat“, erinnert sich die Friedhofsleiterin. In Spenglers Werkstatt ist er zusätzlich glatt geschliffen worden – eine Einladung zum Berühren, erklärt der Künstler. Auf dem großen ruht ein vergoldeter, eiförmiger kleinerer Stein, auf dem das Geburts- und Sterbedatum des Kindes vermerkt ist. Eine Inschrift zieht sich auch entlang der Rostader des Findlings: „Sie war auf Erden fern von jenem Grossen, das gebend durch die Zeiten geht.“

Es ist ein abgewandeltes Zitat aus dem Gedicht „Sie war“ von Rainer Maria Rilke. „Wir wollten keinen erhobenen Zeigefinger, sondern eine Beschreibung, ohne zu werten“, erklärt Michael Spengler die Wahl. Auch gegen ein Bibel-Zitat habe man sich bewusst entschieden, ergänzt Jutta Erb-Rogg: „Wir können das Kind nicht christlich vereinnahmen.“

Denn über die Eltern ist nach wie vor nichts bekannt, wie eine Polizeisprecherin am Montag auf PNN-Anfrage bestätigte. Wie berichtet hatte ein Anwohner das tote Neugeborene am Morgen des 23. Dezember in der Böschung bei einem Garagenkomplex in der Kantstraße gefunden. Der Leichnam war in ein blutiges Handtuch gewickelt. Die Obduktion ergab, dass das Mädchen nach der Geburt gewaltsam zu Tode gekommen ist. Die Ermittler konnten inzwischen auch die DNA der Mutter entschlüsseln – damit kann die Frau zweifelsfrei identifiziert werden, wenn es Tatverdächtige gibt. Bislang sind 32 Frauen überprüft worden, doch die Mutter war nicht darunter. Um neue Zeugenhinweise zu bekommen, soll der Fall im Sommer Thema bei der ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY ungelöst“ werden – voraussichtlicher Ausstrahlungstermin ist der 25. Juli.

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