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Der Politikwissenschaftler und Buchautor Matthias Munke über die Bedeutung der europäischen Verfassung

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Der Politikwissenschaftler und Buchautor Matthias Munke über die Bedeutung der europäischen Verfassung „Europäische Verfassung. Zum Stand der europäischen Demokratie im Zuge der Osterweiterung" ist der Titel eines Buches, das Politikwissenschaftler Matthias Munke gemeinsam mit Heinz Kleger und Ireneusz Pawel Karolewski von der Universität Potsdam verfasste. Der Band ist nun in einer dritten, stark erweiterten Auflage erschienen. Munke, der auch für den Europa-Abgeordneten Norbert Glante (SPD) in Brüssel und Brandenburg arbeitete, äußert sich im PNN-Gespräch mit Jan Oliver Schütz zu aktuellen Fragen der Europäischen Verfassung. Welche Funktion hat die europäische Verfassung? Das europäische Verfassungsdokument regelt die Ausübung und die demokratische Kontrolle von Herrschaft auf europäischer Ebene. Also die Art und Weise, wie Gesetze entstehen und durch welche Institutionen sie gemacht werden. Sie ist eine Ergänzung zu den nationalen Verfassungen und denen der Bundesländer. Sie bildet das Dach für ein Geflecht aus den verschiedenen europäischen Verfassungen. Was ändert sich für die Menschen? Die jetzt beschlossenen Änderungen betreffen das politische System der Europäischen Union. Die nationalen Verfassungen bleiben dabei erhalten. Das Grundgesetz konstituiert die Bundesrepublik, die europäische Verfassung konstituiert jedoch keinen europäischen Staat. Sie regelt nur die Art und Weise, in der europäische Politik gemacht wird. Die gewachsenen Traditionen in den einzelnen Staaten müssen so nicht aufgegeben werden. Die Loyalität der Bürger gilt weiterhin in erster Linie ihren nationalen Verfassungen. Stärkt die Verfassung eine europäische Identität in den Köpfen der Menschen? Das bleibt zu hoffen. Bewusstseinsprozesse sind Generationenprozesse. Die Verfassung schafft nur die institutionellen Voraussetzungen. Nun müssen die sozialen Akteure mitziehen. Sie müssen dafür sorgen, dass Europa weiter in die Köpfe hineinwächst. Hier sind Politiker genauso wie die Medien gefragt. Das ist ja auch nichts Neues. Prinzipien wie Parlamentarismus, freie Wahlen, Sozialstaatlichkeit haben sich in den einzelnen Staaten bewährt. Nun gelten sie einheitlich für ganz Europa. Vieles, was Europa leistet, gilt mittlerweile als selbstverständlich. Die Friedensgemeinschaft etwa. Dabei ist sie eine historische Leistung. Wo sehen Sie Defizite in der gegenwärtigen Europapolitik? Europa hat noch nicht den ihm angemessenen Stellenwert in der Politik. Dies hat viele Gründe. Brandenburg stellt vier Europaabgeordnete. Vier Tage in der Woche sind sie in Brüssel, der Mitarbeiterstab ist klein. Da bleibt wenig Zeit, den Menschen in Brandenburg Europa zu vermitteln. Auch gibt es zu wenig Europapolitiker in Schlüsselpositionen der Parteien. Die könnten als Multiplikatoren dienen. Im Augenblick sieht es leider so aus, dass Europa nur alle fünf Jahre zu den Wahlen thematisiert wird. Und auch da steht dann meist nationale Politik im Vordergrund. Europa muss den Bürgern in einem kontinuierlichen Prozess näher gebracht werden. Was müsste sich da ändern? Vieles hängt an den Personen. In den Spitzen der Parteien müssen gezielt Europapolitiker aufgebaut werden. Europa ist kein Gebiet wie die Verkehrspolitik. Diese und andere Themen sind vielmehr immer auch Europapolitik. Es braucht Verantwortliche, die stets die europäische Dimension mitdenken und offensiv nach außen vertreten. Die Debatte um die Osterweiterung wurde in Brandenburg zum Beispiel sehr defensiv geführt. Kaum jemand hat da gesagt, dass das Wohlstandsgefälle zwischen Brandenburg und Polen für massive Wanderungsbewegungen nicht ausreicht. Mit den Übergangsregelungen bei der Arbeitnehmerfreizügigkeit wurden so die weit verbreiteten Vorbehalte noch bedient, anstatt dagegen zu argumentieren. Eine offene und sachliche Debatte über solche Fragen findet eben zumeist nur in kleinen Kreisen statt. Was trägt Ihr Buch zu dieser Debatte bei? Wir differenzieren den Begriff der Verfassung. Wir erklären, warum die Europäische Union ist, wie sie ist. Wir zeigen, wie die verschiedenen politischen Ebenen zusammenwirken. Außerdem untersuchen wir die demokratischen Defizite in der Europäischen Union und geben konkrete Anregungen und Vorschläge. Heinz Kleger, Ireneusz Pawel Karolewski, Matthias Munke: „Europäische Verfassung. Zum Stand der europäischen Demokratie im Zuge der Osterweiterung“, Lit Verlag, Reihe: Region Nation Europa, Bd. 3, 2004, 29,90 EUR

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