MITgefühlt: Stille Olympiade
Eine Frau in der Tram hat vom Alten Fritz und den Kartoffeln gesprochen, und eigentlich sollte der Weg zur entsprechenden Ausstellung führen. Aber das Wasser war viel attraktiver, und beim Kanalsprint gab es einiges zu erleben.
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Eine Frau in der Tram hat vom Alten Fritz und den Kartoffeln gesprochen, und eigentlich sollte der Weg zur entsprechenden Ausstellung führen. Aber das Wasser war viel attraktiver, und beim Kanalsprint gab es einiges zu erleben. Zum Beispiel das: Ein Kanu kenterte. Der Moderator meinte, so etwas habe es beim Kanalsprint noch nie gegeben. Aber der Sprinter, der sich innerhalb von wenigen Minuten in einen Taucher oder auch Badenden verwandelt hat, nahm es sehr gelassen. Er blieb fröhlich. Das hat mich sehr beeindruckt.
Im Sport ist so oft von Leistung und Rekorden die Rede, die auch besonders wertvoll und bewundernswert sind. Aber Spaß, Gelassenheit und Humor beim Verlieren, nachdem jemand sein Bestes gegeben und die körperlichen und seelischen Grenzen bis fast ins Unendliche ausgedehnt hat, verdient auch ein hohes Maß an Anerkennung. Auch und manchmal insbesondere, wenn sie oder er am Ende verliert.
Viele Menschen durchlaufen jeden Tag ihre eigene Olympiade, meistens in der Stille. Nehmen Sie zum Beispiel, was in der Nacht alles sichtbar wird. Wenn Sie das erleben möchten, steigen Sie einmal bei Nacht auf einen Turm, suchen Sie einen Platz weit oben an der freien Luft, so wie den Kuppelgang der Nikolaikirche zur Nacht der offenen Kirchen. Von dort aus sah Potsdam sehr beeindruckend aus. Die winzigen Trams, die wie Raupen wirken, aus denen aber nie ein Schmetterling schlüpfen wird. Und die vielen Dächer. Ich habe beim Hinunterschauen an die Menschen gedacht, die monatelang gearbeitet haben, damit wir Schönheit erleben können, und uns das Dach buchstäblich nicht auf den Kopf fällt. Es war mir allein von dem Gedanken schwindelig. Die Menschen leisten Hochleistungssport, ohne dafür je eine Medaille zu bekommen. Der Fairness halber habe ich ihnen gedanklich eine erteilt.
Nicht die Erde, sondern die freie Luft und die Höhe, das Wasser und die Tiefe hatten dieses Mal in Potsdam einen besonderen Charme. Der Alte Fritz kann warten. Kartoffeln und Erde bleiben uns noch eine Weile erhalten.
Marianne Ballé Moudoumbou wohnt in Potsdam und arbeitet als Diplom-Dolmetscherin. Ende 2010 wurde sie von rund einer Million Berliner und Brandenburger mit Migrationsgeschichte stellvertretend gewählt, um die Interessen der Gesellschaft im RBB-Rundfunkrat zu vertreten.
Marianne Ballé Moudoumbou
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