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Landeshauptstadt: Stirnguss, Sole, Sauna

Die Therme Bad Wilsnack bietet von allem etwas: Fitnesskurse, Entspannung und Gutes für die Atemwege

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Dem buchstäblich mitreißenden Ritual in der Kristalltherme Bad Wilsnack kann sich kaum ein Gast entziehen. Wie auf Kommando verlassen Gäste jeden Alters sechsmal am Tag ihre Liegen, Stühle oder sonstigen Plätze im weiten Rund des Bades und begeben sich ins warme Wasser – nicht, ohne sich zuvor noch eine sogenannte Poolnudel aus Schaumstoff zu greifen, denn die brauchen sie für die folgenden Übungen. Gespannt blicken dann 50 bis 60 Menschen auf den Kursleiter. Dann geht es los: Arm- und Beingymnastik im Wasser zu flotter Musik, Drehungen, die „Nudel“ über dem Kopf oder vor der Brust – und vor allem: unter Wasser immer schön marschieren. Aquagymnastik gibt es in Bad Wilsnack sechsmal am Tag.

Dass die Therme so beliebt ist, liegt nicht allein an der Professionalität der Fitnesstrainer, sondern vor allem an der Atmosphäre im Thermalbad. Um den Osmanischen Haman erleben zu können, das Saunadorf, die vielerlei Massagen oder die Edelstein-Meditationsgrotte mit zauberhaften Lichtspielen nehmen Gäste selbst einen längeren Anfahrtsweg in Kauf. Von Berlin dauert eine Autofahrt rund zwei Stunden. Am liebsten buchen Besucher den ayurvedischen Stirnguss, bei dem warmes Sesamöl aus einer Schale auf die Stirn rinnt und tiefe Entspannung bewirkt.

Die Prignitz ist nicht einfach eine „Brandenburger Randregion“. Das zeigt ein Blick auf die Autokennzeichen. Die meisten tragen zwar das „B“ als Anfangsbuchstaben, aber ebenso stark vertreten sind Fahrzeuge aus Lüchow-Dannenberg, Stendal, Havelberg und aus den Landkreisen im unmittelbaren Umfeld. Sogar Hamburger machen sich auf den Weg in die Kurstadt unweit der Elbe.

Ein Grund dafür dürfte auch das Gradierwerk sein. Es handelt sich keineswegs um eine lärmende Industrieanlage, wie der Name vermuten lassen könnte. Vielmehr rieselt salzhaltiges Wasser auf 55 Metern Länge über eine acht Meter hohe Wand aus Reisig. Der entstehende Sprühnebel enthält Mineralstoffe, die die Atemwege befreien oder sie vor Infektionen schützen können.

Viele Besucher kommen regelmäßig her. Zwei junge Frauen veranstalten auf der Holzbank vor der Anlage ein zünftiges Picknick. Thermoskannen mit Kaffee und Glühwein, Becher, Teller, Kuchen, Butter, Käse und duftende Schrippen gehören ebenso zu den Utensilien wie Kissen und Decken als Schutz vor dem ein wenig kühlen Wind. Der Grund für den nachmittäglichen Ausflug liegt im Kinderwagen und schläft: Das Baby leidet an einer Bronchitis, der Arzt hat diesen Ort in Bad Wilsnack empfohlen. Mindestens eine halbe Stunde täglich soll das Kind die besonders heilsame Luft an Brandenburgs einzigem Gradierwerk einatmen. Allerdings empfehlen Ärzte, nicht nur vor dem Sprühnebel zu sitzen, sondern etwas flotter vor der Reisigwand auf und ab zu laufen. Die Lunge müsse sich beim Einatmen schließlich weit öffnen. „Mein Lungenleiden ist schon chronisch“, sagt ein älterer Mann, der eben am Gradierwerk auf und ab geht. „Da atme ich eigentlich nur an der Ost- und Nordsee richtig auf. Aber seit ich Bad Wilsnack kenne, fahre ich regelmäßig hierher.“ Der Rest der Familie vergnüge sich während seiner „Luftkur“ in der Therme.

Stammgäste des kostenlosen Gesundbrunnens sind schnell ausgemacht. Mit Umhängen, die die Kassiererin des Thermalbades für 50 Cent ausleiht, schützen sie ihre Kleidung vor Salzflecken. Keine Angst, gerade von Anoraks lassen sich die Salzstippen, die mit bloßem Auge kaum zu erkennen sind, leicht entfernen.

Der ungewöhnliche Name für die Anlage geht auf das in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts entwickelte Gradieren bei der Salzgewinnung zurück. Schon zu jener Zeit ließ man Sole über mit Schwarzdorn voll gestopfte Etagenbauwerke tröpfeln, um möglichst viel Wasser verdunsten zu lassen. Die dadurch gewonnene stärkere Salzlösung wurde dann erhitzt, um das „weiße Gold“ kostengünstig und schneller zu gewinnen. Heute haben die Salinen längst ausgedient, geblieben sind nur die Gradierwerke in einigen Kurorten.

Auch im Thermalbad selbst wird zumindest an einer Stelle feinster Nebel versprüht, allerdings eiskalter. Maximal acht bis zehn Grad Celsius herrschen in der erst kürzlich eröffneten Eisnebelgrotte, in der sich Saunagänger auf erholsame Art nach dem Schwitzen abkühlen können. „Die großen Temperaturunterschiede bewirken ein schnelles und kräftiges Zusammenziehen der Blutgefäße, was den Kreislauf beschleunigt“, erklärt Betriebsleiterin Nicole Schlegel. „Die roten Blutkörperchen transportieren dadurch mehr Sauerstoff.“ Wem der auf Knopfdruck startende und rund 20 Sekunden dauernde Sprühnebel nicht genügt, greift einfach zum Crasheis und reibt sich damit zusätzlich ein.

Die meisten Gäste zieht es aber in die Wärme. Bei 36 Grad Celsius liegt die durchschnittliche Wassertemperatur in den Becken. Im Außenbereich erlaubt die Solekonzentration sogar ein Schweben auf der Oberfläche. Der Hamam steht in Bad Wilsnack immer für Besucher offen. Die können sich auf dem warmen Marmorstein ins Schwitzen bringen lassen und sich mit einer Seifen- und Rubbelmassage ein Peeling verabreichen.

Danach kennen die meisten Gäste ohnehin nur ein Ziel: die nächste Wassergymnastik.

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