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Jobcenter und Arbeitsagentur liegen am Horstweg.

© A. Klaer

Landeshauptstadt: Strafen für Hartz-IV-Empfänger auf Rekordniveau

Das Jobcenter verhängt so viele Sanktionen wie noch nie und kämpft mit Klagen – ein Überblick

Stand:

Sie schwänzen Treffen mit dem Arbeitsvermittler oder lehnen ein Jobangebot ab: Hunderte Potsdamer Hartz-IV-Empfänger bemühen sich nicht in dem Maße um eine neue Arbeit, wie es das Jobcenter gern sähe. Doch die Behörde greift immer härter durch. So haben die Arbeitsvermittler in Potsdam im vergangenen Jahr so viele Strafen ausgesprochen wie noch nie, wie vorläufige Statistiken des Jobcenters zeigen: Die Zahl der Sanktionen stieg gegenüber 2011 um 66 Prozent. Wie Jobcenter-Sprecherin Clarissa Schmidt den PNN auf Anfrage sagte, seien von Januar bis Ende September 2012 allein 2408 Strafen verhängt worden – im gleichen Zeitraum 2011 waren es 1447.

Im Jobcenter, in dem im vergangenen Jahr knapp 11 000 Arbeitslosengeld-II-Empfänger und darunter rund 1900 Langzeitarbeitlose betreut wurden, wird die Entwicklung vor allem auf die gute konjunkturelle Lage in Potsdam zurückgeführt. Es habe daher viele Angebote für die Kunden gegeben, sagte Schmidt – im Umkehrschluss sei auch die Zahl abgelehnter Angebote gestiegen. Die mit Abstand meisten Sanktionen habe es für Meldeversäumnisse gegeben, also wenn Kunden nicht zum Beratungsgespräch erschienen sind. Diese Zahl stieg von 1042 auf 1859 – ein Plus von knapp 80 Prozent. In 219 Fällen hätten Arbeitlose Pflichten verletzt, etwa nicht die abgesprochene Zahl von Bewerbungen geschrieben. In 224 Fällen sei die Aufnahme einer Arbeit, Ausbildung oder die Teilnahme an Fördermaßnahmen verweigert worden. Sanktionen würden vor allem gegen unter 25-Jährige verhängt, bestätigte Schmidt.

Potsdam ist mit der Zahl gestiegener Sanktionen nicht allein. Auch von den Jobcentern in Berlin wurden laut Medienberichten 2012 so viele Sanktionen wie noch nie verhängt. Für die Betroffenen hat das Konsequenzen: Für ein Meldeversäumnis etwa werden die Leistungen für ein Vierteljahr um zehn Prozent gekürzt. Der Regelsatz lag 2012 bei 374 Euro. Im Schnitt sei diese Leistung um 104,17 Euro pro Person gekürzt worden, so Schmidt. In 225 Fällen sei Widerspruch eingelegt worden – in 40 Prozent oder 88 Fällen musste die Behörde die Strafe zurücknehmen. 2011 waren nur 27 Prozent der damals eingelegten 176 Beschwerden berechtigt. Schmidt sagte, diese Entwicklung sei nicht auffällig.

Verdacht auf Sozialbetrug

Verringert haben sich allerdings die Fälle, in denen das Jobcenter mithilfe etwa des Zolls einem Verdacht auf Sozialbetrug nachging. 174 solcher Verfahren habe es 2012 gegeben, 31 weniger als noch 2011. Schmidt sagte, der Rückgang könne unter anderem mit der geringeren Attraktivität von Schwarzarbeit in Zeiten guter wirtschaftlicher Lage mit vielen Jobangeboten zusammenhängen.

Kosten für Klagen und Widersprüche

Deutlich erhöht haben sich in diesem Jahr die Kosten, die dem Jobcenter durch Klagen und Widersprüche gegen fehlerhafte Hartz-IV-Bescheide entstanden seien – von 274 000 auf 525 000 Euro, wie Schmidt bestätigte. Verantwortlich dafür sei auch die gestiegene Zahl von Richtern am Potsdamer Sozialgericht: „Dadurch wurden verstärkt Kostenverfahren vorangetrieben – auch noch aus dem Jahr 2011.“ In knapp 20 Prozent aller 1030 Verfahren habe das Jobcenter teilweise verloren, bei weiteren 39 Prozent sogar vollständig. Damit lägen die Werte auf dem Niveau des Vorjahres, sagte Schmidt. Mehr als 2000 Klagen gegen das Jobcenter seien noch anhängig.

Auch die Zahl der Kundenwidersprüche habe 2012 konstant bei knapp über 4100 gelegen. 27 Prozent dieser Beschwerden hätten sich als vollständig und knapp elf Prozent als teilweise berechtigt entpuppt – im Vorjahr seien es noch 29 und zwölf Prozent gewesen. „Unsere Erfolgsquote lag etwas höher“, wie Schmidt sagte. Bei der mittels Befragungen gemessenen Kundenzufriedenheit habe sich das Jobcenter von der Schulnote 2,58 im Vorjahr auf 2,54 gebessert. Viermal musste 2012 die Polizei im Jobccenter anrücken, in der Regel wegen Pöbeleien, so Schmidt: „Bei 80 000 Kundenbesuchen im Jahr ist das ein äußerst niedriger Wert.“ Am Donnerstag will die Jobcenter-Leitung bei einer Pressekonferenz erläutern, wie sie die Zahl der Widersprüche und Klagen gegen Bescheide verringern will.

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