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Ungewöhnliche Arbeit. In Rheinsberg wird seit über 20 Jahren das dortige AKW abgebaut. HFF-Studenten haben den Prozess in dem Film „Grüne Wiese“ festgehalten.

©  HFF

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Potsdamer Filmstudenten haben einen melancholischen Film über das stillgelegte DDR-Kernkraftwerk in Rheinsberg gedreht

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Die Diskussion über die Atomkraft werde ein positives Ende nehmen, meint Heinrich Kahlow. „In spätestens zehn Jahren werden die Kraftwerke auch in Deutschland wieder eingeschaltet“, sagt er. Der 83 Jahre alte Ingenieur hat sämtliche Kernkraftwerke der DDR ans Netz gebracht. Er war einer der Väter des KKW Rheinsberg. Das KKW Rheinsberg, das als erstes in der DDR wirtschaftlich genutzt wurde, ist Thema des Abschlussfilms „Grüne Wiese“ von Regisseur Simon Ostermann und seinem Filmteam, allesamt Studierende der Hochschule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf“ (HFF).

Das Kraftwerk liegt am Stechlinsee, den einst Fontane poetisch beschrieben hat. Heute breitet sich unmittelbar um den schönen See ein naturbelassener Wald aus. Flechten, Moose, umgestürzte Bäume, die ungestört vor sich hin rotten, vermitteln einen Eindruck davon, wie das Land vielleicht einmal aussah, bevor es kultiviert wurde. Ein schmaler Pfad führt durch das Dickicht und dann, am Ende des Spaziergangs: der hoch technisierte Kraftwerksblock. Noch heute sind die Mitarbeiter des Kraftwerkes stolz auf ihre energiegeladene Vergangenheit, auch wenn sie jetzt mit dem Abbruch der ehemaligen Arbeitsstätte beschäftigt sind.

„Zu dem Thema Atomkraft hat eigentlich jeder irgendeine gefühlte Meinung, aber es gibt wenig Wissen oder wirkliche Auseinandersetzung“, stellt der Regisseur Simon Ostermann fest. Er habe den Film auch gedreht, um sich Klarheit zu verschaffen. Dokumentaraufnahmen des noch funktionierenden Kraftwerkes, der Blick vom See auf den beeindruckenden Bau, kurze Sequenzen von Arbeitern in den 1970er-Jahren stehen am Beginn des Films. 1966 ging das Werk ans Netz, lieferte fortan Strom und arbeitete nach Angaben der Mitarbeiter rentabel. Nach der Wiedervereinigung allerdings führten Sicherheitsbedenken auch in Rheinsberg dazu, dass die Anlage abgeschaltet wurde.

Etwas steif geleitet der Ingenieur das Filmteam an Tonnen von radioaktivem Material vorbei in das Innere der Anlage. Im Gespräch merkt man ihm seinen Stolz noch an. Wo früher 600 Menschen gearbeitet haben, sind heute gerade 100 damit beschäftigt, das Kraftwerk Stück für Stück wieder auseinanderzubauen. „Wir mussten einen Protagonisten finden, jemand, der die Geschichte des Kraftwerkes erzählen kann“, erklärt Ostermann. Heinrich Kahlow und der Kraftwerksingenieur Jörg Möller erzählen davon, wie sie den heutigen Prozess erleben. Möller hat sein ganzes Arbeitsleben in dem Kraftwerk zugebracht, was auch sein privates Leben geprägt hat.

Die Räume, in denen sich die Filmstudenten mit ihren Kameras bewegen, sind keine beliebige Fabrikanlage. Wenn das Kameraauge aus erhöhter Perspektive in einen dunklen Krater zoomt, in dem früher die Reaktorstäbe gelagert wurden, ist es als erglimme ein Widerschein der enormen Kräfte, die einst dort gebändigt wurden. „Einmal musste ich mir die Hände achtmal waschen, um die Strahlung nach dem Dreh abzubekommen“, erinnert sich die Produktionsleiterin Elena Winterer. „Das war eine ganz schöne Schrubberei.“ Auch der Kameramann Johannes Greisle spricht von sehr ungewöhnlichen Arbeitsbedingungen. Es sei eine recht intensive Erfahrung gewesen, sich beim Betreten der Industrieanlage jedes Mal bis auf die Unterhose auszuziehen. „Da bekam man es schon mit der Angst zu tun.“ Nichts durften die Studenten im Innenraum berühren, nichts durfte auf den Boden gestellt werden. Das beklemmende Gefühl habe sich dann allerdings im Laufe der Drehtage recht schnell gegeben. „Zum Schluss habe ich mich gefühlt wie in meinem Wohnzimmer“, meint Ostermann. Die Arbeiter seien zwar sorgsam mit dem kontaminierten Material im Innenraum umgegangen. An anderer Stelle aber sollte ein Maschendrahtzaun die Radioaktivität bannen, Arbeiter wühlten mit der Kehrschaufel in mutmaßlich verstrahltem Staub.

Der Film soll kein politisches Statement transportieren, erklärt der Regisseur. Auch wurden Zuspitzungen bewusst vermieden. Was durchaus möglich gewesen wäre, etwa wenn die beiden Protagonisten allzu blauäugig von der strahlenden Zukunft der Kraftwerksindustrie sprechen. Über dem ganzen Film liegt vielmehr ein melancholischer Schleier. Schwarz-weiße Filmbilder und sepiastichige Innenaufnahmen erzeugen eine sonderbar marode Stimmung. „Das haben wir nicht inszeniert, das sieht dort so aus“, stellt Ostermann klar. Es ist der Verfalls- und Rückbauprozess selbst, der dieses Bild unmittelbar prägt.

Der Film hat gerade mit der Farbkorrektur die letzte Phase seiner Produktion durchlaufen. Nun geht er in die Welt hinaus, um auf Filmfestivals von sich Reden zu machen.

Richard Rabensaat

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