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Strampeln für Menschenrechte. Aktion am Freitagabend in der Fabrik.

© A. Klaer

Landeshauptstadt: Strampeln und Spenden

Potsdamer traten für Flüchtlinge in die Pedale

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Jens Lüscher, Vorstandsmitglied vom SV Babelsberg, strampelt sich ab. Absteigen geht nicht, denn ohne die Tret-Energie von ihm und seinen elf Mitfahrern konnte das „Fahrradkino“ am Freitagabend, dem Vorabend des Tags der Menschenrechte, nicht stattfinden: Die zwölf stationären Räder liefern den Strom, der für die Projektion der acht Kurzfilme, die sich mit dem Alltag von Flüchtlingen in Deutschland beschäftigen, gebraucht wird. „Eintreten für Flüchtlinge“ heißt die Aktion, die vom Diakonischen Werk Potsdam und der Ausländerseelsorge der evangelischen Kirche Potsdam organisiert wurde. „Wenn man sich für Menschenrechte einsetzen will, dann bedeutet das einen gewissen Kraftaufwand“, sagt Ausländerseelsorgerin Monique Tinney. Und die Räder, auf denen sich die Fahrer im Zehn-Minuten-Takt abwechseln, dienen noch einem anderen guten Zweck: Zahlreiche Potsdamer haben Spendenpatenschaften übernommen, durch die sie pro gefahrenen Kilometer einen Geldbetrag an die Ausländerseelsorge Potsdam spenden. Der Erlös wird Flüchtlingen in Brandenburg zu Gute kommen. Zu den Spendern zählen unter anderem Ministerpräsident Matthias Platzeck, die Potsdamer Landtagsabgeordnete Klara Geywitz (beide SPD) und prominente Potsdamer, die allerdings anonym bleiben wollen. Im Laufe des Abends kamen so mehrere Tausend Euro zusammen.

Auch unter den Radlern gibt es viele bekannte Gesichter: Gleich sechs Mitglieder vom Vorstand des SV Babelsberg 03 sind zum Strampeln angetreten, ebenso Vertreter von Turbine Potsdam, die Integrationsbeauftragte des Landes Karin Weiß, die Potsdamer Integrationsbeauftragte Magdolna Grasnick, aber auch in Potsdam lebende Asylbewerber wie Adela Bektic, die mit neun Jahren aus Bosnien nach Deutschland kam. „2004 habe ich mein Abitur in Potsdam gemacht“, sagt die 27-jährige, „davor sollte ich ständig abgeschoben werden und konnte nicht arbeiten und nicht studieren.“ Ihre Situation hat sich mittlerweile verbessert, sie studiert nun Maschinenbau. Sie und andere Flüchtlinge erzählen im Laufe des Abends im Interview mit Moderator Knut Elstermann von ihrem Leben in Deutschland. Zu den gezeigten Kurzfilmen gehörte unter anderem der Film „Gestrandet“ aus der Reihe „20 x Brandenburg“, der die Situation des Kameruners Acha in Garzau zeigt, wo er versucht mit Brandenburgern in Kontakt zu kommen; die Filmemacherinnen Judith Keil und Antje Kruska schwangen sich an diesem Abend ebenfalls aufs Rad.

Nach wie vor müssten Flüchtlinge in Deutschland viele Ungleichbehandlungen hinnehmen, kritisiert Tinney: „Asylanten bekommen pro Monat 30 Prozent weniger Geld zum Leben als Hartz-IV-Empfänger. Die Regelsätze dafür wurden 1993 festgelegt und seit dem nicht mehr angepasst.“ Im Landkreis Oberhavel hält der Landrat zudem nach wie vor daran fest, Flüchtlingen ihr Asylgeld zum Teil per Gutschein zu bezahlen, was oft zusätzliche Einschränkungen bedeutet. 2011 gab es in Brandenburg über 3400 Asylbewerber, Asylberechtigte und geduldete Ausländer, in Potsdam waren es im Jahr 2010 rund 250. E. Wenk

E. Wenk

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