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Landeshauptstadt: Straßenfeger

Potsdam im Endspiel: Tausende Fans bangen vor Leinwänden. Vergeblich.

Stand:

19.00 Uhr. Hegelallee 21. Eine von vielen Privatfeiern in der Stadt rüstet sich. Der Potsdamer Carl Ziegner hat Freunde eingeladen, der Fernseher wird auf den Hof gestellt, das Verlängerungskabel hängt aus dem Fenster. „Jetzt gehts gleich los“, sagt der 29–Jährige. Sein Tipp: Verlängerung mit Elfmeterschießen – und Sieg für Deutschland.

19.15 Uhr. Kutschstallhof. Im Public Viewing sammeln sich bereits hunderte Fans. Oder stehen davor und trinken Alkohol, weil Ordner kontrollieren. Viele Fans haben sich die Gesichter schwarz- weiß-rot geschminkt.

20.00 Uhr. Lindenpark. Mehr als 1000 Fans sind schon da, sitzen und stehen vor der Großleinwand. Chef Dirk Harder freut sich – tippt aber dennoch auf ein 5:3 für Spanien im Elfmeterschießen.

20.40 Uhr. Lindenpark. Die Nationalhymne. Die Fans stehen auf, singen mit, schwenken ihre Fahnen.

21 Uhr, Kutschstall, Public Viewing. Lehmanns Glanztat gegen Metzelders Schuss erleichtert. Gute Fußballstimmung – wegen der die Bewohner im Haus hinter der Leinwand verschreckt vom Balkon gegangen sind.

21.30 Uhr. Hafthorn. Der Koch guckt kurz aus der Küche. „Wie steht“s?“ Null zu eins die Antwort. Es ist leise geworden in der Innenstadt.

21.35 Uhr. Hegelallee. Ein Polizist hält auf der Hegelallee den einzigen Radfahrer an, der unterwegs ist. Wieso denn das sein müsse, die Frage. Die Antwort liefert das Alkoholmessgerät: Über zwei Promille hatte der ältere Herr, der nichtmal Fußball gucken war.

21.40 Uhr. Rudolf-Breitscheid-Straße. Kaum Autos. Und nur Leute dort, wo Fernseher vor den Kneipen aufgebaut sind. Die Halbzeitpause.

21.45 Uhr. Dortustraße. Im spanischen Innenstadt-Restaurant Mea Culpa stellt sich eine Frage: Wo sind die Spanier? Keine da. Also jubeln deutsche Fans. Für die deutsch-spanische Freundschaft.

22.00 Uhr. Karl-Gruhl-Straße. Vor der Sportlerkneipe Hiemke sitzen rund 50 Babelsberger. Lange war Ruhe, doch nach den ersten Chancen der Deutschen in der zweiten Halbzeit wird es laut. „Ran, ran, ran!“, ruft ein Mädchen immer wieder. Doch nach und nach wird es wieder ruhiger, die Blicke auf die Uhr nervöser.

22.10 Uhr. Brandenburger Straße. Am Döner-Imbiss XXL spielen drei Jungs Fußball in der Fußgängerzone. Sie wollen nicht gucken. Und sagen dennoch: „Hauptsache, Deutschland gewinnt.“

22.20 Uhr. Hebbelstraße. Ein Garten mit einer Leinwand, vor der eigentlich Party sein sollte. Doch nun sind betrübte Gesichter von Fans zu sehen, die in Friedrich-Shirts feiern wollten.

22.33 Uhr. Berliner Straße. Schlusspfiff. Aus einem Hochhaus an der Straße ein unschwer zu vernehmender Ruf: „Das kann doch nicht wahr sein!“. Und danach: „Scheiße.“ Seit Minuten ist kein Auto mehr auf der Straße zu sehen gewesen.

22.36 Uhr. Brandenburger Straße. Feuerwerk. Tatsächlich, vor dem Restaurant Pfeffer und Salz wird das Feuerwerk gezündet.

22.54 Uhr. Hegelallee 21. Bei Carl Ziegner beginnt der Abbau. Seine Analyse: „Schade, die Deutschen haben nicht richtig gekämpft. Ein bisschen Katerstimmung herrscht schon. Aber wir freuen uns für Spanien.“

23.00 Uhr. Platz der Einheit. Lautes Rufen vor den Haltestellen. Viele Polizisten rücken im Laufschritt an. Doch die Situation spitzt sich nicht weiter zu.

23.30 Uhr. Lagedienst der Polizei. Ein paar Feuerwerke, keine Schlägereien, die Lage ist trotz der deutschen 0:1-Niederlage ruhig.

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