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Von Henri Kramer: Streik!

200 Potsdamer Schüler haben die bundesweiten Demonstrationen für bessere Bildung unterstützt

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Es ist sein erstes Mal. Bei einem Streik wie gestern hat Nick noch nie mitgemacht. Doch aufgeregt ist der 17-Jährige nicht, als er gestern früh kurz vor 9 Uhr am Platz der Einheit erscheint, statt in der Schule zu sitzen: „Ich hoffe, wir erregen Aufmerksamkeit für unsere Wünsche.“ Wie Nick haben sich an diesem kalten Morgen rund 200 Potsdamer Schüler gegen den Unterricht entschieden. Mit bundesweit zehntausenden anderen Jugendlichen wollen sie unter dem Motto „Bildungsblockade einreißen“ lieber für eine bessere Schule demonstrieren – später, bei der zentralen Kundgebung in Berlin ab 11 Uhr.

Doch nicht jeder scheint sich an diesem Morgen schon so viele Gedanken machen zu wollen. Ein paar junge Punks haben schon einen Kasten Sternburg Export dabei. Neben ihnen stehen dagegen Mitglieder der Antifaschistischen Linken Potsdam, die trotz ihrer durchschnittlich 18 Jahre schon viel Demo-Erfahrung besitzen. „Hey, alle her, wir wollen anfangen!“, ruft einer. Eine Rede folgt: Gegen das mehrgliedrige Schulsystem, das gute wie schlechte Schüler benachteilige; gegen ein „Turbo-Abitur“ von 12 Jahren, das keine Zeit für Vertiefung lasse. Und gegen den Versuch von „zahlungskräftigen Konzernen“, Einfluss auf Schulen zu nehmen. „Wir müssen Druck machen!“, heißt es.

Es sind aber auch einige Gesichter dabei, die sonst bei Kundgebungen in Potsdam nicht zu sehen sind. Wie Nick vom Leibniz-Gymnasium. Das Thema Schule beschäftigt ihn. Gut kann er sich noch an seine frühere Schule erinnern, in der 30 Jungen und Mädchen in jeder Klasse saßen: „Das war schlimm.“ Zu laut sei es gewesen, niemand habe sich konzentrieren können, auch die entnervten Lehrer nicht, gerade in den Nachmittagstunden. Jetzt in der 11. Klasse sei es zum Glück in diesem Punkt besser. Wenn auch nicht alles gut ist, so Nick: „Die Bücher sind viel zu veraltet.“

Mit Trillerpfeifen ziehen die 200 Schüler los. Ihre Demo ist nicht angemeldet, Polizisten begleiten sie. Nur am Hauptbahnhof wird es kurz unübersichtlich, schnell entspannt sich die Situation wieder. Lautes Pfeifen gellt durch die Einkaufspassage. Passanten halten sich die Ohren zu. Eine Pfeife hat auch Anna mitgebracht. Die 17-Jährige kommt aus dem Einstein-Gymnasium – und beschwert sich über ungerechte Bewertungen und Lehrer, die „nicht richtig“ auf Schüler eingehen. „Auch schon früher habe ich mich dauernd über die Schule beschwert, aber ohne etwas zu machen“, erklärt sie, warum sie den Streik unterstützt. Und doch wird sie an dem Tag noch einmal an ihre Schule zurückkommen. Ein Vortrag in Latein steht noch an: „Das mache ich gern.“

Erst nach Schulschluss wieder in Potsdam zurück ist dagegen Konrad. Der 17-Jährige kommt wie Anna aus dem Einstein-Gymnasium, ist einer der Organisatoren des Potsdamer Protests – und erlebt den Tag in Berlin. Dort treffen sich rund 10 000 Schüler. Rund 1000 von ihnen besetzen für rund 20 Minuten die Humboldt-Universität und werfen Papier aus den Fenstern. Die Bilder der vielen Menschen sind abends im Fernsehen. Konrad ist zufrieden: „Schon die Zahl der Teilnehmer in Potsdam hat unsere Erwartungen übertroffen, ich hatte mit 50 gerechnet.“

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