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Landeshauptstadt: Streik: Weltkulturgüter in Gefahr

Stiftung Preußische Schlösser und Gärten setzte externe Streikbrecher ein - unkontrollierter Besucherstrom

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Stiftung Preußische Schlösser und Gärten setzte externe Streikbrecher ein - unkontrollierter Besucherstrom Von Erhart Hohenstein Im Tarifstreit um die Ausgliederung von 103 Mitarbeiter der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten holte die Generaldirektion gestern zum Gegenschlag aus. Während die Gewerkschaft ver.di durch einen Warnstreik und eine von mehr als 300 Mitarbeitern besuchte Kundgebung in Berlin-Charlottenburg die Besichtigung der Hauptschlösser lahmlegte, hielt der Arbeitgeber Schloss Sanssouci offen. Anstelle der streikenden Aufsichten setzte er zusätzliches Personal einer Wachschutz-Gesellschaft ein. Sie wurden von der Gewerkschaft, die rechtzeitig von dem Coup erfahren hatte, als „Streikbrecher“ bezeichnet. ver.di war vor dem Weinbergschloss mit einer Streikwache vertreten, in der neben den betroffenen Schlossführern, Kassenkräften, Aufsichten, Putzfrauen und Wachmännern auch Restauratoren und Kastellane ihre Solidarität bekundeten. „Den Einsatz von Streikbrechern kenne ich bisher nur aus schlechten amerikanischen Filmen“, kommentierte der stellvertretende Personalratsvorsitzende Heiko Neubecker gegenüber PNN. Die Japaner, die um 9 Uhr als erste angemeldete Reisegruppe Schloss Sanssouci besichtigen wollten, standen vor verschlossenen Parktoren. Sie zeigten Verständnis für die bis 12 Uhr andauernde Streikaktion und verlegten den Besuch auf den Nachmittag. Lautstarken Protest erhob dagegen eine nachfolgende Gruppe aus England. Marketingchef Tilmann von Stockhausen, der zuvor eigenhändig die Warnstreikschilder entfernt hatte, erzwang die Wiederöffnung der Parktore durch Schlossmanagerin Heidrum Liepe. Dies sei keine Stellungnahme gegen die Streikaktion, erläuterte Liepe den PNN, sondern der rechtlichen Situation geschuldet, die ein Verschließen des Parks verbiete. Anschließend strömten 1800 Besucher, fast das Doppelte der zulässigen Tageszahl, ohne Führung in das Schloss. Der Bitte der Streikenden, darauf zu verzichten, folgten nur einige deutsche Gruppen. Letztmals war solch ein ungeordneter Besuch in den 70er Jahren zugelassen worden. Dadurch entstanden erhebliche Schäden in den Räumen und an den Kunstgütern. „Mir ist unerklärlich, dass die Generaldirektion durch ihre Aktion das Weltkulturerbe aufs Spiel setzt“, erklärte eine leitende Restauratorin den PNN. Die schwerste Bewährungprobe ihrer kurzen Amtszeit bestand die junge Kastellanin von Sanssouci, Angelika Scholz. Ausgerechnet an ihrem gestrigen Geburtstag musste sie versuchen, in dem unzureichend bewachten Schloss Beschädigunge und Diebstähle zu vermeiden. Zudem wurde sie telefonisch ununterbrochen mit erbosten Anfragen von Reisegruppen konfrontiert. Der Hinweis, dass dafür die Marketing-Abteilung zuständig sei, gingen ins Leere. Dort bemühte sich von Stockhausen mutterseelenlallein, die Touristen umzudirigieren. Alle seine Mitarbeiter waren zum Warnstreik gefahren. Auf der Hauptkundgebung in Berlin- Charlottenburg hatte der Personalratsvorsitzende Stefan Klappenbach indessen nochmals das Gespräch mit Stiftungs-Generaldirektor Prof. Hartmut Dorgerloh gesucht. Der habe zwar auf die Protestatkion „sehr betreten“ reagiert, aber keinen Kompromiss in Aussicht gestellt. Für die Fortsetzung der Tarifverhandlungen am 1. Juni scheint deshalb eine Einigung so gut wie ausgeschlossen. In dem Streit geht es um die Löhne in der für die Ausgegliederten geplanten Servicegesellschaft, die nur bei 50 bis 75 Prozent der bisherigen Zahlungen liegen sollen.

Erhart Hohenstein

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