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Interview mit einem Streikforscher: „Streiks sollen Überraschungseffekt haben“

Zwölf Stunden Streik - das ist eigentlich nicht ungewöhnlich, sagt Streikforscher Heiner Dribbusch. Im Interview erklärt er, warum.

Stand:

Herr Dribbusch, sind zwölf Stunden Warnstreik im öffentlichen Nahverkehr ungewöhnlich?

Nein, dies hat es schon häufiger gegeben. In der letzten Tarifrunde gab es in Düsseldorf sogar einen zweitägigen Warnstreik im öffentlichen Nahverkehr. Warnstreiks können nur wenige Stunden lang sein, aber auch wesentlich länger dauern. Sie sind befristet, aber wie lange sie dauern, entscheidet allein die betreffende Gewerkschaft.

Es gibt in Potsdam Kritik, dass die Streikankündigung am Vorabend zu kurzfristig erfolgt sei. Viele Potsdamer wurden am Morgen davon überrascht, dass Busse und Trams nicht fuhren. Wie schätzen Sie das ein?

Generell soll ein Streik einen gewissen Überraschungseffekt haben. Die Gewerkschaft will dadurch vermeiden, dass die Arbeitgeberseite Ersatzbusse und Streikbrecher organisieren kann. Zugleich will sie aber auch nicht die Bevölkerung verärgern. Das ist immer ein Balanceakt. Ohnehin ist ja nie garantiert, dass alle informiert sind – schließlich liest ja nicht jeder Zeitung oder hört Radio.

Viele Menschen sind auf den öffentlichen Nahverkehr angewiesen. Trifft ein Streik die Falschen?

Die Beschäftigten streiken ja nicht gegen die Bevölkerung. Es geht den Gewerkschaften darum, im Tarifkonflikt ein Signal zu setzen. Das Ziel ist, politischen Druck zu erzeugen, damit die Arbeitgeberseite einlenkt. Natürlich werden einige Betroffene von dem Streik nicht begeistern sein, andere richten sich darauf ein und haben Verständnis. Sehr üppig werden die Busfahrer ja auch nicht bezahlt. Bei öffentlichen Dienstleistungen wie dem Nahverkehr werden die Arbeitsbedingungen per Tarifverhandlung geregelt. Da gehören, wenn die Verhandlungen stocken, auch Streiks nun mal dazu.

Heiner Dribbusch forscht bei der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung zur Entwicklung von Arbeitskämpfen. Mit ihm sprach Marco Zschieck.

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