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Die St. Marienkirche in Frankfurt (Oder) ist genauso alt wir die Stadt selbst. Baubeginn war 1253 zur Stadtgründung.

© Patrick Pleul/ZB

Von Bernd Kluge: Streit um die Marienkirche

In Frankfurt (Oder) wird über die Vermarktung des Gotteshauses und seiner Chorfenster debattiert

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Frankfurt (Oder) - Mit suchendem Blick laufen Irmgard und Horst Winde durch die Frankfurter Marienkirche. In dem riesigen Backsteinbau mit den hohen Säulen wirken die beiden Leipziger etwas verloren. „Der unverbaute Blick auf die berühmten Bleiglas-Chorfenster ist zwar grandios, aber es fehlen Informationen dazu“, sagten die Besucher aus Sachsen. Sandra Meinung, die Restauratorin der sechs letzten Scheiben der mittelalterlichen Marienkirch-Fenster, hat diesen Einwand schon oft gehört. „Was fehlt, ist ein professionelles Marketing-Konzept. Die Stadt weiß mit einem touristischen Highlight wie der Marienkirche nicht viel anzufangen“, kritisiert Meinung. Doch über die Vermarktung von Kirche und Fenstern wird derzeit in Frankfurt gestritten.

Sandra Meinung arbeitet in der gläsernen Werkstatt im Märtyrerchor des Gotteshauses. Dass ihr die Besucher dabei über die Schulter schauen, ist gewollt. Doch neben Details zur Restaurierung wollen diese viel zur Kirche selbst wissen und beklagen sich bei Meinung über das mangelnde Info-Angebot. Im Besucherbüro gibt es davon zwar jede Menge, allerdings nur gegen Bares. „Hier ist ein kostenloser Service dringend erforderlich, wenn man die Leute nicht vor den Kopf stoßen will“, sagt Meinung.

50 Cent bis 1 Euro kosten im Besucherbüro selbst simple Faltblätter. Detaillierte Informationen zu den drei mittelalterlichen Chorfenstern, ihrer Heimkehr aus Russland oder zu den Motiven der 117 Felder der gläsernen Bilderbibel finden sich in Bildbänden für etwa 20 Euro pro Buch. Wer per Audio-Guide durch die Kirche geführt werden will, zahlt dafür drei Euro. Und die beiden Computer-Terminals, mit denen Besucher einzelne Felder der Fenster aus der Nähe betrachten können, reagieren nur auf Geldeinwurf – wenn überhaupt. In der Vergangenheit waren sie zudem nach Angaben der Restauratorin meist defekt. Meinung kritisiert die Versäumnisse der Stadt: Auf der Internetseite der Stadt gebe es nicht einmal ein aktuelles Foto der wertvollen Glasmalereien, sagt sie. Sie selbst hat eine eigene Web-Seite für die gläserne Werkstatt erstellt, ein Link dorthin findet sich im Internet-Auftritt der Stadt jedoch nicht.

Für ihre Einschätzung erntet Meinung in der Stadt jetzt Verärgerung. „Verletzte Eitelkeit“ und „ein übersteigertes Geltungsbedürfnis“ wirft ihr der Vorsitzende des Fördervereins St.

Marien, Helmuth Labitzke, in einem Leserbrief in den Regionalmedien vor. Er scheint vergessen zu haben, dass er selbst in der Vergangenheit mehrfach die „Verantwortlichen der Stadt“ für die mangelhafte „Vermarktung“ der Kirche kritisierte hatte. „Was Frau Meinung tut, ist eher kontraproduktiv“, sagt der Frankfurter Rathaussprecher Sven Henrik Häseker. Denn der Verwaltung seien nun einmal personelle und finanzielle Grenzen gesetzt. Häseker ist auch für die Vermarktung der Kirche verantwortlich.

Ein Konzept, wie seit mehr als zwei Jahren angekündigt, hat er jedoch noch immer nicht erstellt. „Um die Marienkirche professionell zu vermarkten, braucht man ein Entwicklungsteam – nicht nur eine halbe Stelle“, sagt er. Ein bei der Europäischen Union von Frankfurt und der polnischen Partnerstadt Slubice gestellter Fördermittelantrag für die Entwicklung eines Gesamt-Marketingkonzeptes der grenzüberschreitenden Doppelstadt wird nach Angaben des Stadtsprechers auf Anraten des Brandenburger Wirtschaftsministeriums derzeit noch einmal überarbeitet. „Im September könnte er dann voraussichtlich bewilligt werden, mit vier bis fünf Personalstellen“, sagt Häseker.

Die Kritik der Restauratorin führt er auf Verärgerung über „fehlende berufliche Perspektiven in Frankfurt“ zurück. Denn nach dem Abschluss der Restaurierungsarbeiten an den mittelalterlichen Chorfenstern läuft der Restauratoren-Honorarvertrag mit der Stadt aus, die gläserne Werkstatt hat ausgedient. „Sie ist nicht rentabel zu führen: Die Einnahmen betragen nur ein Drittel der Ausgaben“, sagt Häseker, dessen Angaben nach das Inventar verkauft und der Märtyrerchor künftig für Ausstellungen genutzt werden soll. „Ich wäre gern geblieben“, sagt Restauratorin Meinung, die sieben Jahre mit der Restaurierung der gläsernen Bilderbibel befasst war, 22 Ausstellungen zu den einzelnen Fenstermotiven gestaltet und etliche Kirchenführungen übernommen hat. In Frankfurt seien Chancen vertan worden, aus der Kirche und ihren Fenstern etwas „wirklich Einmaliges“ zu machen, lautet ihr Resümee.

Bernd Kluge

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