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Hochhaus an der Freundschaftsinsel: Die Josephinen-Wohnanlage in der Burgstraße.

© Ottmar Winter PNN/Ottmar Winter PNN

Update

Streit um Potsdamer Josephinen-Wohnanlage: Betreiber greifen Stadt mit Werbekampagne an

Mit ganzseitigen Annoncen und einer neuen Website attackieren die umstrittenen Eigentümer das Rathaus – wie sich die Verwaltung gegen die Vorwürfe wehrt.

| Update:

Seit Monaten sorgt der Rauswurf von mehr als 100 Senioren und Seniorinnen aus der Potsdamer Josephinen-Wohnanlage für viel Entrüstung in Potsdam – nun ändern die Betreiber einmal mehr ihre Strategie. So gehen sie mittels ganzseitiger Zeitungsanzeigen auf direkten Konfrontationskurs mit der Stadtverwaltung, ferner haben sie das Geschäftsmodell für den leerstehenden Wohnraum verändert.

Demnach hat eine Firma im Netz der weitverzweigten Betreiberin der Anlage über eine Vertreterin eine ganzseitige Annonce in der kostenlosen Wochenzeitung „Blickpunkt“ drucken lassen. In den rund 150.000 Exemplaren der Ausgabe vom vergangenen Samstag wurden unter der Überschrift „Bitte, lasst uns nicht im Stich“ und im Layout-Stil der „Bild“-Zeitung drei Texte veröffentlicht, in denen das Rathaus direkt attackiert wird.

Die Anzeigen-Seite im „Blickpunkt“.
Die Anzeigen-Seite im „Blickpunkt“.

© Henri Kramer

Trotz der anhaltenden Platznot zur Unterbringung von ukrainischen Kriegsflüchtlingen habe die Stadtverwaltung das Angebot ausgeschlagen, 65 Menschen direkt in der Anlage in der Burgstraße unterzubringen, heißt es dort. „Ruhige, sichere Wohnungen im Herzen Potsdams“, wie es in der vermutlich einige tausend Euro teuren Anzeige heißt. Doch seit Monaten herrsche Funkstille bezüglich dieses Angebots, so der Vorwurf.

Auch auf einer neuen Internetseite finden sich die Vorwürfe gegen die Stadt

Zugleich sind in der Annonce weitere Veröffentlichungen dieser Art angekündigt. Verwiesen wird ferner auf die Internetseite www.dringendeswissen.de, wo die Anzeigenseite noch einmal zu finden ist. Zuständig ist laut Impressum eine Frau, die gleichzeitig als Datenschutzbeauftragte bei der MK Kliniken AG in Hamburg gelistet ist – der Mutterfirma des Josephinen-Betreibers. Anfragen der PNN, welches Ziel diese Vorgehensweise habe, blieben bis Dienstagnachmittag unbeantwortet. Auf der Internetseite heißt es, man wolle mit der Präsenz im Netz etwas klarstellen: „Wir denken, Kriegsgeflüchteten in Not muss geholfen werden.“

Sozialdezernentin Brigitte Meier (SPD)
Sozialdezernentin Brigitte Meier (SPD)

© Andreas Klaer / Andreas Klaer

Die angegriffene Stadtverwaltung weist das zurück. Sozialdezernentin Brigitte Meier (SPD) sagte auf PNN-Anfrage: „Das ist eine neue Qualität in der politischen Sachauseinandersetzung, die aus unserer Sicht ihresgleichen sucht.“ Ganz offensichtlich solle die Bevölkerung mit dieser Anzeige „gezielt in die Irre geführt werden“, so die Beigeordnete. Nach PNN-Informationen ist man im Rathaus auch deswegen irritiert, weil es laut Mietrecht jedem Eigentümer frei stehe, selbstständig Verträge mit Geflüchteten abzuschließen - auch ohne die Stadtverwaltung, allerdings unter Wahrung der geltenden rechtlichen Vorgaben wie Mietpreisbremse und ohne Missbrauch einer Notlage.

Richtig sei, so Meier, dass der Anbieter im Sommer 2022 aktiv auf die Stadt zugekommen sei, um über die Unterbringung von Flüchtlingen zu verhandeln. Bei diesen Verhandlungen habe die Stadtverwaltung immer deutlich gemacht, dass die verbliebenen Bewohner vor Ort – unabhängig von der möglichen Unterbringung von Flüchtlingen – in jedem Fall in ihren Wohnungen bleiben dürfen, stelle Meier klar. Zunächst seien die Gespräche konstruktiv verlaufen, später ins Stocken geraten. Am 7. September hatten die Stadtverordneten dann auf Antrag der Linken entschieden, die Verhandlungen zu beenden.

Unterstützung erhält das Rathaus vom Migranten- und Seniorenbeirat der Stadt. In einer gemeinsamen Mitteilung erklärten beide Gremien, es gehe dem Eigentümer „nicht um mehr Wohnraum für Geflüchtete, sondern um die Gewinnmaximierung“. Flüchtlinge und alte Menschen dürften nicht gegeneinander ausgespielt werden. Die Stadt müsse weiter alle rechtlichen Möglichkeiten gegen Zweckentfremdung oder Nutzungsänderungen nutzen - damit das Hochhaus weiter als Seniorenanlage genutzt werden könne.

Neues Geschäftsmodell zeichnet sich ab

Auslöser für den Beschluss war damals auch die Tatsache, dass ein Teil der Wohnungen über das Portal Airbnb als Domizil für Potsdam-Touristen angeboten worden war - was wiederum für große Verärgerung in der Stadtpolitik sorgte, man das einzig auf Profit ausgerichtete Agieren des Betreibers geißelte. Inzwischen werden die Wohnungen nicht mehr bei Airbnb angeboten - sondern auf einer Homepage der ebenfalls neu gegründeten Betreibergesellschaft Appartement P mbH. Dort sind 131 teils möblierte Zimmer in drei verschiedenen Ausführungen aufgelistet. Preise sind auf dieser Internetseite noch nicht angegeben - aber auch hier fällt auf, dass für alle Inhalte der Seite eine ukrainische Übersetzung angeboten wird.

Ausgangspunkt der Auseinandersetzung um die Anlage war die vom damaligen Betreiber veranlasste Massenkündigung von mehr als 100 Senioren einige Wochen vor Weihnachten 2021. Allerdings wohnen noch einzelne Bewohner von damals in dem Haus. Zum aktuellen Vorgehen und weiteren Zielen machten die MK Kliniken als Mutterfirma auf PNN-Anfrage keine weiteren Angaben. Für Aufsehen hatte zuletzt auch ein Bericht der „Märkischen Allgemeinen“ gesorgt, wonach die Klingelschilder im Haus zuletzt durchaus kreativ gestaltet waren - mit Namen wie „Erich Honecker“ oder verfremdeten Namen von Kritikern des Geschäftsgebarens der Eigner. Gemutmaßt wird hier, das damit verschleiert werden soll, wo überhaupt noch echte Mieter leben. Auch zu diesem Umstand erhielten die PNN keine Antwort von den Inhabern.

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