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Landeshauptstadt: Streitpunkt an der Glienicker Brücke

Steht die Villa Schöningen vor dem Abriss? Chronologie eines jahrelangen Konflikts – und seiner Folgen

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Berliner Vorstadt - Eine Abrissbirne soll die Villa Schöningen einreißen? Unvorstellbar – eigentlich. Doch im Konflikt um das erste Haus Potsdams hinter der Glienicker Brücke, 1844/45 nach Plänen von Ludwig Persius errichtet, scheint nichts mehr ausgeschlossen.

Mehrere Jahre schon schwelt der Streit um das denkmalgeschützte Bauwerk, das in der Potsdam-Berliner Kulturlandschaft große Bedeutung hat. Die Geschichte beginnt im Jahr 1995. Damals erwirbt Dieter Graalfs – er war unter anderem mit dem damaligen Unternehmen Groth & Graalfs Bauträger des Kirchsteigfeldes – die verfallene Villa samt Nachbargrundstück. Weil dieses bebaut werden kann, so sagte Graalfs in einem PNN-Interview, habe er sich für den Kauf entschieden. Sein Plan sei seitdem gewesen, die Sanierung der Villa über eine „Quersubventionierung“ aus den Erlösen der Neubauten zu bezahlen. Da es für das Areal, das zum Bereich des Weltkulturerbes gehört, keinen Bebauungsplan gibt, gilt das Baugesetzbuch. Danach existiert Baurecht neben der Villa Schöningen an der Berliner Straße und an der Schwanenallee. Doch einen Neubau an der Schwanenallee wollen sowohl die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, die Stadtplanung als auch die Denkmalpflege verhindern. Nach Angaben von Graalfs soll es 1996 ein Treffen vor Ort gegeben haben, bei dem ein Bau an der Schwanenallee simuliert worden ist. Dabei sei festgestellt worden, dass ein Gebäude an dieser Stelle der „besonderen Darstellung der Villa Schöningen nicht gerecht wurde“. So habe man sich bereits damals geeinigt, das existierende Baurecht sozusagen zu verschieben: in den hinteren Bereich der Grundstücke, die Villa L-förmig umschließend.

Diese Verschiebung aber muss in einem Bebauungsplan geregelt sein – und den gibt es bis heute nicht. Denn vor mehr als einem Jahr, als die Pläne für die fünf Stadtvillen, die Graalfs auf dem „L“-Baufeld errichten will, vorgestellt wurden, gab es harsche Proteste. Angeführt wurden sie vom Verein Berliner Vorstadt e.V.. Die Bebauung gefährde das Weltkulturerbe, hieß es. Zudem wurde im Zweifel gezogen, dass die Stadt Eigentümer Graalfs mit einem städtebaulichen Vertrag tatsächlich wasserdicht dazu verpflichten könne, die Villa Schöningen zu sanieren – und ob es überhaupt nötig sei, über Baurecht für die fünf Stadtvillen eine „Kompensation“ für die Sanierungskosten zu ermöglichen.

Nach Angaben der Baubeigeordneten hatten Schlösserstiftung und Denkmalpflege seinerzeit keine Einwände gegen die fünf Stadtvillen erhoben – die erwünschte Stellungnahme der Unesco blieb aber aus. Sie werde Potsdam die Entscheidung nicht abnehmen, so teilte die Deutsche Unesco-Kommission mit.

Die Gemengelage hatte zur Folge, dass die Stadtverordneten nunmehr einen eigenen Bebauungsplan 35-3 „Schwanenallee/Berliner Straße“ für das Areal auflegen ließen – und damit die Baurechte reduzierten: Wird der jetzige Plan wirksam, darf nur noch an der Berliner Straße ein Haus gebaut werden. Hier beginnt die aktuelle Problematik: Eigentümer Graalfs sagt, aus den Mieteinnahmen des einen zulässigen Neubaus wäre eine Sanierung der Villa Schöningen unmöglich. Damit liege eine „wirtschaftliche Unzumutbarkeit“ nach Paragraf 7 des brandenburgischen Denkmalgesetzes vor, belegt durch ein Sachverständigengutachten. Dies gebe ihm das Recht, den Abriss des Denkmals durchzusetzen.

Dafür müsste Graalfs einen offiziellen Behördenweg einhalten. Wie Detlef Karg, Direktor des Brandenburgischen Landesamtes für Denkmalpflege, gestern auf PNN-Anfrage erklärte, müsste der Eigentümer zunächst einen Antrag auf Abriss der Villa stellen. Dabei müsse er offen legen, dass es für ihn wirtschaftlich unzumutbar ist, die Sanierung zu bezahlen. Dabei spielten auch Einnahmen aus einer geplanten Nutzung und mögliche Steuerabschreibungen eine Rolle. Ob die Zumutbarkeit tatsächlich nicht gegeben ist, prüfe dann die Untere Denkmalschutzbehörde der Stadt Potsdam. Danach müsse diese mit dem Landesamt ins Benehmen gehen. Geprüft werde müsse auch, ob es Möglichkeiten zur Kompensation für eine Zumutbarkeit gebe. Sollten Stadt und Landesamt geteilter Meinung sein, entscheide die Kulturministerin. Der Eigentümer könne zudem eine „höchstrichterliche Rechtssprechung“ über die Entscheidung der Denkmalpflege herbeiführen.

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