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Am Block: Pfarrer Konrad Elmer-Herzig und Dirk Gretzler von Lichtblick.

© M. Thomas

Landeshauptstadt: Strom aus dem Pfarrhaus

Caddy-Motor im Heizungskeller: Der Pfarrer der Erlösergemeinde, Konrad Elmer-Herzig, investierte in ein Blockheizkraftwerk – um die Schöpfung zu bewahren. Ab Montag wird die Anlage Strom und Wärme produzieren, gesteuert per Funk aus Hamburg

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Pfarrer lassen für gewöhnlich keine Kraftwerke bauen. Konrad Elmer-Herzig von der Evangelischen Erlösergemeinde bildet da eine Ausnahme. Der 64-Jährige ist nicht nur bibelfest; seine Sachkunde erstreckt sich in einem Maß ebenso auf den Bereich der alternativen Energieerzeugung, dass er dem Ingenieur Dirk Gretzler von der Energiefirma Lichtblick ein ebenbürtiger Gesprächspartner ist. Beide sitzen am Mittwoch am Hintereingang des Pfarrhauses Nansenstraße 6 in der Sonne und fachsimpeln über die Energiewende in Deutschland. Der Anlass hierfür ist konkret: Elmer-Herzig lässt derzeit von Lichtblick im Keller des Gemeindehauses ein sogenanntes Zuhause-Kraftwerk installieren. Montag kommender Woche geht die Anlage in Betrieb. Dann deckt die Gemeinde nicht nur ihren Wärmebedarf selbst, sondern produziert Strom, der ins allgemeine Netz eingespeist wird.

Das Seelenheil seiner Gemeindemitglieder ist dem Pfarrer nicht genug. Der Mann mit den grauen Locken, dem nicht anzusehen ist, dass er bald in den Ruhestand geht, bezeichnet das Kraftwerk schmunzelnd „als seine letzte Untat“. Seine Motive dafür leitet er aus dem zweiten Schöpfungsbericht der Bibel ab: „Ihr sollt die Erde bebauen und bewahren.“ Das, so Elmer-Herzig, ist Gottes Auftrag an die Menschheit, „wir haben ihn als Christen umzusetzen“. Die Schöpfung sei gefährdet durch den Kohlendioxid-Ausstoß der Menschen. Daraus folge die Notwendigkeit einer Energieerzeugung, die möglichst wenig Kohlendioxid freisetzt. „Ein Pfarrer hat da nicht nur zu predigen, sondern zu handeln“, findet Elmer-Herzig.

Das Non plus ultra der Energieerzeugung ist für Elmer-Herzig derzeit die Kraft-Wärme-Kopplung, also wenn nicht nur Strom, sondern auch Wärme erzeugt wird. Die Potsdamer Energie und Wasser GmbH macht das, indem sie Strom im Gaskraftwerk erzeugt und die Abwärme in ihrer Fernwärmeleitungen einspeist. Doch da das Pfarrhaus abseits des Fernwärmenetzes liegt, entschied sich der Pfarrer für ein Gaskraftwerk im eigenen Keller, also eine dezentrale Energieversorgung durch ein Blockheizkraftwerk.

Dafür kombiniert die Firma Lichtblick in einem etwa zwei Meter hohen Technikblock einen Zwei-Liter-EcoFuel-Motor von Volkswagen mit einem Stromgenerator. Der Motor wird etwa auch im VW Caddy eingesetzt, erklärt Gretzler. Der Motor leistet 19,9 Kilowatt Strom und 34 Kilowatt Wärme – die Abwärme des VW-Motors, die in großen Wärmespeichern gepuffert wird, wie die Experten sagen. Motorwärme und Speicherwärme können sich auf eine Heizleistung von 50 Kilowatt summieren. Befeuert wird der Motor mit Ökogas – ein Gemisch aus fünf Prozent Biogas und Erdgas. Der Wirkungsgrad – der Ausnutzungsgrad der eingesetzten Brennstoffe – beträgt 94 Prozent. Bei einem Kohlekraftwerk zur Stromproduktion, bei der die Abwärme durch Kühltürme in die Umgebung entweicht, sind es maximal 40 Prozent, weiß Elmer-Herzig.

Aber das ist noch nicht der ganze Clou: Was Elmer-Herzig begeistert, ist die Tatsache, mit seinem Zuhause-Kraftwerk Teil von etwas Größerem zu sein. 800 dieser Blöcke hat Lichtblick bereits in die Keller dieses Landes implantiert, am Jahresende werden es 1000 sein. Die Anlage im Keller der Nansenstraße 6 ist die erste Anlage von Lichtblick in Potsdam. Gretzler zufolge sollen es eines Tages 100 000 Zuhause-Kraftwerke in Deutschland sein. Zwei ganze Atomkraftwerke könnten damit eingespart werden, sagt Gretzler – und Elmer-Herzigs Augen leuchten bei dieser Auskunft auf. Gesteuert werden die vielen kleinen Kraftwerke von der Lichtblickzentrale in Hamburg aus, dort sitzt der sogenannte Schwarmdirigent, denn das Ganze firmiert auch unter dem Oberbegriff Schwarmstrom. Binnen einer Minute können die Blöcke von der Hanse-Metropole aus auf Volllast hochgefahren werden – etwa in den Morgen- oder Abendstunden, wenn mehr Strom im Land gebraucht wird. Freilich hat sich Elmer-Herzig von Lichtblick versichern lassen, dass die Wärmespeicher immer mindestens halb voll sind, sodass die fünf Mietparteien auch dann warmes Wasser haben, wenn der VW-Motor von Hamburg aus gedrosselt wird. Die Steuerung erfolgt laut Ingenieur Gretzler über das Vodafone-Funknetz.

50 000 Euro kostet ein Zuhause-Kraftwerk. Elmer-Herzigs Gemeinde steuerte 10 000 Euro bei, die sich durch den geringeren Wärmepreis wieder einspielen. Den Rest zahlte Lichtblick, die dafür den produzierten Strom vermarkten. Künftige Nutzer, erklärt Gretzler ein neues Geschäftsmodell, müssen die gesamte Summe etwa durch Kredite der Kreditanstalt für Wiederaufbau aufbringen. Dafür genießen sie nicht nur billige Wärme, sondern auch preiswerten Strom.

Anfangs litt das System an Kinderkrankheiten. So war der Motor den Nutzern zu laut. Das habe die Firma nun im Griff, „wir sind jetzt die Leisesten“, so Gretzler. Elmer-Herzig bietet an, sich ab Montag in seinem Keller davon zu überzeugen – „nach Voranmeldung“. Guido Berg

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