zum Hauptinhalt

MEIN WENDEHerbst: Strom vom ZK

JAHREMAUERFALLDer Herbst 1989 ist als „Friedliche Revolution“ in die deutsche Geschichte eingegangen. Hunderttausende DDR-Bürger demonstrieren in diesen Tagen für Veränderung im Land – in den Abendstunden des 9.

Stand:

JAHRE

MAUERFALL

Der Herbst 1989 ist als „Friedliche Revolution“ in die deutsche Geschichte eingegangen. Hunderttausende DDR-Bürger demonstrieren in diesen Tagen für Veränderung im Land – in den Abendstunden des 9. November fällt die Mauer. An dieser Stelle erinnern sich in den Potsdamer Neuesten Nachrichten täglich Menschen in Potsdam an ihre Erlebnisse in dieser Zeit. Heute: Hans-Hermann Hertle. Der 54-jährige geborene Westfale ist Historiker und Politikwissenschaftler am Zentrum für Zeithistorische Forschung (ZZF) in Potsdam.

Hans-Hermann Hertle war zur Wendezeit 1989 ein junger Politologe, der Gewerkschaftsgeschichte erforschte. Was sich da im Osten Berlins tat, interessierte ihn. Was gibt es Bedeutsameres für einen Historiker, als dabei zu sein, wenn Geschichte passiert? Da dies in der DDR gerade täglich der Fall war, hatte Hertle gute Karten, als er am 3. Dezember ein Treffen von DDR-Künstlern im Friedrichstadtpalast besuchte. Er musste ein Billett kaufen; es sei eine „Revolution mit Eintrittskarte“ gewesen, sagt Hertle in Anspielung auf Churchill’s Witz, wonach die Deutschen, machten sie in einem Bahnhof Revolution, vorher eine Bahnsteigkarte kaufen würden. An diesem Vormittag klärten zunächst West-Marxisten die Ossis darüber auf, dass die DDR- Wirtschaft besser sei als ihr Ruf und der Kapitalismus vor dem Kollaps stehe. Plötzlich rief einer, der DDR-Devisenhändler Schalck-Golodkowski sei mit 100 Milliarden DM in den Westen abgehauen. Spontan wurde begonnen, Transparente zu malen, um vor dem Zentralkomitee der SED zu protestieren. Hertle und ein Freund gingen schon mal vor. Vor dem ZK-Gebäude hielt ein Lautsprecherwagen und jemand stöpselte seine Verlängerungsschnur in eine Außensteckdose des Hauses. Nanu, dachte Hertle, gleich wird mit dem Strom des ZK der Rücktritt des ZK gefordert. Es folgt eine surreale Szene: Von der einen Seite kommt ein Protestzug der Akademie der Wissenschaften, von der anderen der der Künstler vom Friedrichstadtpalast. Irgendwann passiert wirklich Geschichte: Günter Schabowski tritt vor das Mikrofon und verkündet den Rücktritt von Politbüro und Zentralkomitee.gb

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })