Homepage: Studium mit Hindernissen Eine Stiftung unterstützt darmkranke Studenten
Mit 17 Jahren wäre Sebastian* fast gestorben. Sein Körper wollte nichts mehr bei sich behalten – keine Nahrung, kein Wasser.
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Mit 17 Jahren wäre Sebastian* fast gestorben. Sein Körper wollte nichts mehr bei sich behalten – keine Nahrung, kein Wasser. Der 1,83 Meter große junge Mann wog schließlich nur noch 53 Kilogramm, drei lange Monate lag er im Krankenhaus. Der Grund: Sebastian litt an einem heftigen Schub von Colitis ulcerosa, einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung. Etwa 170 000 Deutsche teilen sein Schicksal, weitere 150 000 leiden unter der ebenfalls chronisch entzündlichen Darmerkrankung Morbus Crohn. Schubweise Bauchschmerzen und Durchfälle, die ohne Vorwarnung auftreten, sind quälende Symptome. Hinzu kommen häufig Komplikationen wie Darmblutungen.
Seinen richtigen Namen möchte Sebastian nicht in der Zeitung lesen – denn er „mag es nicht, über meine Krankheit definiert zu werden“, so der 24-Jährige. Die Krankheit, deren Ursachen noch unklar sind, ist nicht heilbar, Medikamente müssen ein Leben lang eingenommen werden, der Körper ist geschwächt. „Mit jedem banalen Infekt flammt auch die Colitis auf“, beschreibt Sebastian. Viele Fehlzeiten in Schule, Ausbildung und im Berufsleben sind die Folge. Auch Sebastian fehlte oft im Unterricht, kam irgendwann mit dem Stoff nicht hinterher und schloss die Schule nach der 10. Klasse mit schlechten Ergebnissen ab. Nach einem Freiwilligen Ökologischen Jahr auf einem Bauernhof wiederholte er auf der Abendschule die zehnte Klasse – und schloss mit besseren Noten ab. Die anschließende Ausbildung zum Veranstaltungstechniker führte ihn jedoch wieder an gesundheitliche Grenzen. Nach zwei Jahren musste er den stressigen Beruf aufgeben.
Heute sieht man Sebastian die Krankheit nicht an. Er ist sportlich und muskulös – kein Wunder: Schließlich trainiert er sechsmal die Woche für je drei Stunden Akrobatik und Shaolin Kung Fu – eine chinesische Kampfkunst. „Wenn ich Sport mache, ist das immer auch ein Kampf gegen die Krankheit“, erzählt er. Die Beschwerden hat Sebastian – auch dank der Medikamente – gut im Griff. Experten glauben, dass die Psyche einen enormen Einfluss auf den Verlauf chronisch entzündlicher Darmerkrankungen hat.
Nun drückt Sebastian noch einmal die Schulbank, legt das Fachabitur ab und studiert Soziale Arbeit an der FH Potsdam, um als Freizeitpädagoge arbeiten zu können. Unterstützt wird er dabei durch ein Stipendium der Stiftung Darmerkrankungen, das junge Menschen bis zum Alter von 35 Jahren in ihrer Ausbildung fördert. Durch Zufall erfuhr Sebastian über seinen Arzt vo dem Stipendium, das einmalig bis zu 10 000 Euro zur Verfügung stellt. Er bewarb sich kurzerhand und ist nun einer von zwölf Ausgewählten aus ganz Deutschland, die gefördert werden.
Die Unterstützung bedeutet für Sebastian vor allem, dass er trotz Studium seinen Sport weiter wie bisher betreiben kann. „Ich muss mich nicht mit irgendwelchen Nebenjobs herumschlagen.“ Und er kann sich einen lang gehegten Wunsch erfüllen: Im Oktober fliegt er in die chinesische Provinz Henan, um dort zwei Wochen lang im Shaolin-Tempel zu trainieren und an Turnieren teilzunehmen. „Das ist ein Kindheitstraum“, verrät er. Durch seine Erfahrungen weiß er: Das Leben ist endlich. „Vielleicht mache ich mir mehr Gedanken darüber als andere Menschen in meinem Alter“, sagt er. Und fügt hinzu: „Die Zeit, die ich habe, möchte ich gut nutzen.“ (*Name geändert) Heike Kampe
Heike Kampe
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