Landeshauptstadt: Suchtkranke: Reicht eine Beratungsstelle aus?
Fachleute warnen vor dramatischen Folgen / Träger gesucht
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Fachleute warnen vor dramatischen Folgen / Träger gesucht Dramatische Folgen befürchten die Träger der zwei Potsdamer Suchtberatungsstellen, wenn es im kommenden Jahr nur noch eine Einrichtung für Suchtkranke in der Landeshauptstadt gibt. „Der Kontakt zu der Hälfte der Klienten würde ersatzlos abreißen“, sagte Marcel Kankarowitsch, Geschäftsführer des Diakonischen Werks Potsdam, am Dienstagabend im Sozialausschuss. Zudem könne die Nachfrage mit nur einer Suchtberatungsstelle nicht abgedeckt werden. „Wir müssten sofort ein rigides Terminkonzept einführen. Auf eine Erstberatung müsste man dann sechs Wochen warten“, so Kankarowitsch. Erwartet werden müssten außerdem hohe Folgekosten für Stadt und Volkswirtschaft. „Eine Alkoholentwöhnungsbehandlung kostet 35 000 Euro. Wir haben in den vergangenen zwei Jahren in unserer Selbsthilfegruppe dafür gesorgt, dass drei Menschen, die schon auf der Liste standen, keine Behandlung bekommen mussten“, sagte Fritz Hille von einer AWO-Selbsthilfegruppe. Das Diakonische Werk und die Arbeiterwohlfahrt (AWO) sind die Träger der zwei Einrichtungen, die seit 1992 Suchtkranke und Angehörige beraten und betreuen und auch in der Prävention aktiv sind. 2002 sind nach ihren Angaben 916 Menschen betreut worden, rund 85 Prozent davon Alkoholkranke. Ab dem 1. Januar 2004 soll es nur noch eine Suchtberatungsstelle geben, für die der Träger nun per Ausschreibung gesucht wird. Der Hintergrund: Das Land wird seine Zuschüsse zur Suchtberatung drastisch einschränken. Wurden 2002 noch 100 000 Euro gezahlt, werden es im kommenden Jahr nur 43 000 Euro sein. Angesichts dieser Sparmaßnahme sah sich die Stadt gezwungen, den so genannten Versorgungsvertrag mit der Sucht GbR von AWO und Diakonie zu kündigen – der fehlende Betrag könne aus der Stadtkasse nicht ausgeglichen werden, hieß es. Jetzt zahlt die Stadt pro Jahr 97 000 Euro. So viel werde es auch 2004 sein, das habe ihr der Stadtkämmerer versichert, sagte die Sozialbeigeordnete Elona Müller. Die Kritik der jetzigen Träger, die Hälfte der Klienten werde mit der Schließung der zwei Suchtberatungstellen unversorgt sein, wollte Müller nicht hinnehmen. „Das glaube ich nicht.“ Amtsärztin Karola Kaiser betonte, eine „Verunsicherung der Betroffenen“ sei nicht gewollt. Dass Suchthilfe „Beziehungsarbeit“ sei, die auf persönlichen Kontakte fuße, sei der Verwaltung klar. Allerdings müsse man angesichts der Finanznot neue Ansätze finden und „schauen, was auf dem Markt los ist“. Die Stadt wolle aber kein „Billigangebot“ in der Suchthilfe, sondern suche einen Anbieter, der durch Synergien in Bewirtschaftung und Verwaltung kostengünstig arbeiten könne, sagte die Beigeordnete Elona Müller. Die Mindeststandards würden auf jeden Fall eingehalten. Nur so werde es weiterhin Geld vom Land geben. Unverständnis herrschte bei Diakonie, AWO und einigen Ausschussmitgliedern auch darüber, dass die Stadt überhaupt einen neuen Träger sucht. „Das Haushaltsrecht verpflichtet dazu“, erklärte Elona Müller. Ab dem 13. Oktober können die Angebote der ausgesuchten Bewerber eingereicht werden, am 20. November soll die Entscheidung fallen. In der Auswahlkommission sollen auch Sozialausschussmitglieder sitzen. AWO-Chefin Angela Basekow kritisierte den Zeitplan: „Wir haben eine Vier-Wochen-Frist und die Verwaltung hat noch immer kein Suchtkonzept aufgestellt.“ Sabine Schicketanz
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