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Landeshauptstadt: Süße Mitbringsel

Wilhelm Hamann wurde gestern 104: Der älteste Potsdamer schreibt Geschichten und sammelt Zucker

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Brandenburger Vorstadt – Wenn doch alles so einfach wäre. Rechts die Würfel, in der Mitte die Pyramiden und links die Stäbchen: Im Aufenthaltsraum des evangelischen Seniorenheims Hasenheyer-Stift in der Meistersingerstraße zeigt Wilhelm Hamann gerade seine Zuckertütchensammlung – säuberlich aufgereiht und beschriftet. Nach eigener Schätzung besitzt er 1500 Stück. Beim Sammeln helfen ihm Freunde und Bekannte: Tütchen aus Cafés in Prag, Riga, Wien oder Java sind so bereits zusammen gekommen. Auch Heimleiter Thomas Bräckle hat seinem ältesten Schützling von Reisen Zucker mitgebracht, wie er gestern am Geburtstagstisch erzählte. Wilhelm Hamann, der älteste Potsdamer, feierte seinen 104. Geburtstag.

Eine weite Reise hatte auch die Glückwunschkarte hinter sich, über die sich der Jubilar besonders freute: Ex-Ministerpräsident Manfred Stolpe hatte aus San Francisco in den USA geschrieben.

Einen Geburtstagswunsch habe er nicht, sagt Hamann: „In meinem Alter gibt es keine Wünsche mehr.“ Dass er Stadtältester ist, nimmt er achselzuckend zur Kenntnis: „Steht im Amtsblatt“, lautet der Kommentar des gebürtigen Lausitzers. Das Geheimnis des langen Lebens vermag er nicht zu lüften: Er habe vor 30 Jahren mit Rauchen aufgehört, erzählt Hamann und fügt hinzu: „Ich trinke jeden Abend mein Glas Rotwein.“ Auch drei Runden ums Haus drehe er täglich.

In der Familie liegt das hohe Alter jedenfalls nicht: Hamanns Mutter verstarb bereits mit 62 Jahren, der Vater wurde 71. 1931 stand Wilhelm Hamann deshalb allein da. Als 28-Jähriger übernahm er das Geschäft des Vaters in Forst in der Lausitz. „Lebensmitteleinzelhandel und -großhandel“, erklärt er. Ein großer Betrieb, die Angestellten hätten mit im Haus gewohnt. Für die Haushaltsführung gab es Helene. Sie sollte in Hamanns Leben bald eine Hauptrolle spielen: „Da sie den Haushalt so gut geführt hat, hab“ ich sie geheiratet“, erklärt er und fügt lächelnd hinzu: „Ich hab“ es nie bereut.“

Im zweiten Weltkrieg wurde Hamann im letzten Kriegsmonat eingezogen, wie er sich erinnert. Er überlebte die Schlacht im Kessel von Halbe im April 1945: „Dass ich da rausgekommen bin, das ist ein ganz großes Wunder.“ Ein halbes Jahr saß er in Trebbin in russischer Gefangenschaft. Danach sei er nicht mehr in die Heimatstadt Forst zurückgekehrt: Als ehemaligem NSDAP-Parteimitglied hätte ihm die Gefangennahme gedroht, warnten ihn seine beiden älteren Schwestern vor. Hamann ging stattdessen nach Zerbst, wo er später eine Baufirma leitete. Erst mit 75 Jahren ging er in Rente. Seine Ehe hielt 52 Jahre und wurde erst 1988 durch Helenes Tod geschieden. Zwei Jahre später zog Hamann nach Potsdam, wo sein Sohn lebt.

Drei Kinder, fünf Enkel und acht Urenkel hat er heute – sein jüngster Nachfahr ist gerade mal ein Jahr alt. Ururenkel gibt es noch nicht, sagt Hamann: Zum 70. Geburtstag seines Sohnes seien zwei Urenkel „mit Freundin“ gekommen, wie Hamann schmunzelnd erwähnt. Nicht auszuschließen, dass er sich doch noch etwas wünscht.

In Potsdam engagierte sich Hamann bis 2003 im Seniorenbeirat. Seit Jahren schreibt er auch bei den „Zeitzeugen“ über sein Leben. „Wir freuen uns auf ihre nächsten Geschichten“, sagte Elona Müller, die Sozialbeigeordnete der Stadt, gestern.

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