
© Stefan Gloede
Von Guido Berg: Symbol der Freiheit
Kulturattaché Claussen wirbt für deutsch-amerikanisches Zeitzeugenprojekt
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Die ergrauenden Haare hat Peter R. Claussen mit einem weißen Zopfgummi zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Er trägt nun einen gut gepflegten Oberlippenbart, die große Brille jedoch fehlt. Der Kulturattaché der US-Botschaft in Berlin hat nur wenig Ähnlichkeit mit dem jungen Mann auf dem Video, das er den Besuchern einer Zeitzeugen-Veranstaltung am Dienstagabend in der Potsdamer Stadt- und Landesbibliothek zeigt. Und doch: „Das bin ich“, sagt Claussen schmunzelnd, „ich kann es kaum fassen“.
Bereits von 1988 bis Ende 1990 war der Sohn einer deutschen Mutter Kulturattaché, allerdings unterhielt die USA damals zwei Botschaften auf deutschem Boden, eine in Bonn und eine in Ost-Berlin, in der Claussen arbeitete. 1988, berichtet er, wollte DDR-Staatschef Erich Honecker unbedingt in die USA eingeladen werden. So machte die DDR keine Probleme, als das US-Außenministerium das Video über seine Diplomaten hinter dem eisernen Vorhang drehen wollte. Auf dem auch auf You-Tube, Stichwort Peter Claussen, zu sehenden Filmchen passiert ein junger, glattrasierter Mann mit schwarzen, lockigen Haaren, etwas steif in einem schwarzen Anzug steckend, den Checkpoint Charlie – der junge Peter R. Claussen zeigt einem DDR-Grenzposten auf dem Weg zur Arbeit seinen Diplomatenausweis.
Claussen, nun mit gereiftem Äußeren, aber auch eine größere Gelassenheit ausstrahlend, ist nach Potsdam gekommen, um für das deutsch-amerikanische Zeitzeugenprojekt Projekt „USA - DDR“ zu werben. Ausgangsmotiv ist nicht allein das freundschaftliche Verhältnis zwischen Barack Obama und Angela Merkel. Wie Claussen berichtete, wurde die US-Botschaft in Ost-Berlin 1990 geschlossen, „alles weitere lief über Bonn“. Nach der deutschen Wiedervereinigung hätten die Vereinigten Staaten kein Sonderprogramm für Ostdeutschland auflegen können, „ohne die Beziehungen mit Bonn zu verletzen“. Nun jedoch, sagt der Kulturattaché, „versuchen wir es im Nachhinein besser zu machen“. Die USA wisse, die friedliche Revolution habe auf dieser Seite der Mauer stattgefunden. Sicher aber sei Amerika für die DDR-Bürger auch ein Symbol der Freiheit gewesen. Claussen: „Wer kann sich daran erinnern?“ Etwa an das legendäre Konzert von Bruce Springsteen am 19. Juli 1988 vor 160 000 Fans in Berlin-Weißensee. Welcher US-Schriftsteller, welcher US-Film ist in besonderer Erinnerung, fragt Claussen weiter. Oder hat jemand Erinnerungen, Fotos oder sogar Filme vom Pink Floyd-Konzert vor der Mauer am Brandenburger Tor? Er selbst hat die gespenstischen Szenen vor Augen, wie hunderte DDR-Bürger auf der Ost-Seite still den Musikfetzen lauschten, die der Wind über die Mauer trug; dazwischen hektische Stasi-Leute, die ihnen suspekt erschienene Ost-Fans davontrugen.
Aus dem Publikum meldet sich der ehemalige Pankower Superintendent Werner Krätschell. Viel hätte er zu erzählen, „der Tank ist voll“. Er selbst habe zu DDR-Zeiten die Tochter des US-Botschafters Barclay getauft. Krätschell scheint durchaus übersprudeln zu wollen. Er bringt eine Anekdote: Bei einem Besuch des ehemaligen brandenburgischen Ministerpräsidenten Manfred Stolpe in North Carolina habe der dortige Gouverneur als Gleichnis auf das deutsch-deutsche Verhältnis erklärt, die Südstaaten hätten „auch“ einen Bürgerkrieg verloren und bis heute würden die Yankees so tun, als hätten sie die Weisheit mit Löffeln gefressen. Politisch werde heute viel durch das westdeutsche Raster gedrückt, so der ehemalige Kirchenfunktionär.
Claussen schien die Rolle, die die evangelische Kirche in der DDR spielte, auch damals gut gekannt zu haben: „Ich habe in keinem Land mehr Zeit in Kirchen verbracht als in der atheistischen DDR.“ Wenn er interessierte Amerikaner mit DDR-Christen zusammenbrachte, waren die Gäste aus den Staaten oft sehr überrascht: „Die dachten, die Russen hätten alle Christen erschossen.“
Weitere Informationen über das deutsch-amerikanische Zeitzeugenprojekt im Internet unter http://german.germany.usembassy.gov/usa-ddr/
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