zum Hauptinhalt
Hitler und Hindenburg. Der neue Reichskanzler (l.) und der 86-jährige Reichspräsident sitzen während der Eröffnungssitzung des neuen Parlaments in der Potsdamer Garnisonkirche nebeneinander. Später geben sie sich die Hand.

© dpa

Landeshauptstadt: Symbol und Politikum

Vor 82 Jahren gaben sich Hindenburg und Hitler in Potsdam die Hand. Historiker betrachten den Tag differenziert

Stand:

Zehntausende Menschen waren auf den Straßen. Es herrschte ein Verkehrschaos. Schon am frühen Morgen spielte eine Militärkapelle in der Stadt. So beschrieb die nationalbürgerlich-konservative „Potsdamer Tageszeitung“ den Beginn dessen, was später als „Tag von Potsdam“ bekannt wurde. Nachdem es am Vormittag Gottesdienste in der Nikolaikirche und der katholischen Kirche St. Peter und Paul gegeben hatte, sitzen am Mittag die neu gewählten Reichstagsabgeordneten, in der Mitte der greise Reichspräsident Hindenburg sowie Reichskanzler Hitler samt Kabinettsmitgliedern. Hindenburg hält eine Rede, anschließend spricht Hitler. Danach legt Hindenburg in der Gruft Kränze an den Gräbern von Friedrich Wilhelm I. und Friedrich II. ab. Den anschließenden Handschlag von Hitler und Hindenburg nimmt New-York-Times-Fotograf Theo Eisenhart auf. Das Bild ging um die Welt.

Was sich am 21. März 1933 in Potsdam abspielte, war die zeremonielle Auftaktveranstaltung zur Eröffnung des am 5. März neu gewählten Reichstags. Das Berliner Parlamentsgebäude war wenige Wochen zuvor beim Reichstagsbrand in Flammen aufgegangen. Die kommunistischen Abgeordneten des Reichstags und führende SPD-Politiker waren verhaftet oder auf der Flucht. Die Sozialdemokraten boykottierten die Veranstaltung.

Noch heute wird der „Tag von Potsdam“ als Verbrüderung der Nationalsozialisten mit dem alten Preußen gesehen. Historiker sehen den zum Mythos gewordenen Tag allerdings differenzierter. So meint etwa der Direktor des Potsdamer Zentrums für Zeithistorische Forschung (ZZF), Martin Sabrow, der Handschlag von Hitler und Hindenburg sei von den Nazis nicht als Propagandaakt angelegt, sondern erst im Nachhinein zum Symbolbild gemacht worden. Überhaupt stehe der Tag mehr für die Verbindung von Massenbegeisterung mit der vermeintlichen konservativen Zähmung Hitlers als für einen Geniestreich der NS-Propaganda.

Die Nazis bevorzugten die Bilder der jubelnden Massen, erklärte der Historiker John Zimmermann vom Potsdamer Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr. Seine Wirkung habe das Handschlag-Foto nicht während der Naziherrschaft, sondern erst nach dem Krieg erlangt. Für ihn markiert der „Tag von Potsdam“ heute den endgültigen Untergang der Weimarer Demokratie und die scheinbare Legitimierung eines zwölfjährigen Rechtsbruches – aber auch die Selbstviktimisierung der Deutschen nach 1945.

Sabrow meint, die Rolle der deutschen Bevölkerung habe den Tag mehr geprägt als die listige Propaganda von Joseph Goebbels. „Längst ist der totalitäre Verführer Hitler in einen Interpretationsrahmen gestellt worden, der seine Macht und seine zunehmende Handlungsradikalität entscheidend auf die messianische Führersehnsucht in der deutschen Gesellschaft und ihre Bereitschaft zurückführt, dem Führer entgegenzuarbeiten“, so Sabrow.

Ein Politikum blieb der Tag auch in jüngerer Zeit: So kam es bei einem Gedenkspaziergang der Stadt und der Kirchen vor zwei Jahren zum 80. Jahrestag zu einem Eklat. Etwa zwölf linke Aktivisten, teilweise bekleidet mit Wehrmachts- und SA-Uniformen, demonstrierten mit einem Fackelzug gegen den Wiederaufbau der Garnisonkirche. Ihren Aufzug begannen die Protestierer ausgerechnet am Gedenkort für die frühere Synagoge am Platz der Einheit.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })