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Landeshauptstadt: „T-Heime deutlich abstocken“

Hartmut Dorgerloh, Chef der Schlösserstiftung über sein Lieblingsschloss, Kompromisse mit der Stadt, Pufferzonen und Probleme auf den Baustellen

Stand:

Herr Dorgerloh, haben Sie ein Lieblingsschloss?

Darf man nicht haben. Das ist wie bei einer Familie, wenn Sie fragen, welches ist Ihr Lieblingskind. Da sind einem alle gleich lieb. Aber Schloss Charlottenhof ist ein Haus, das ich sehr mag. Zum einen, weil es aus einer Zeit stammt, mit der ich mich als Kunsthistoriker viel beschäftigt habe – Karl Friedrich Schinkel und die Folgen. Und es ist ein Ort, wo man am besten versteht, was uns als Schlösserstiftung ausmacht, nämlich der Zusammenhang zwischen Schloss, Garten und Ausstattung. Es ist ein sehr schönes Ensemble.

Vom Wohlfühlschloss zum Sorgenkind. Im Park Babelsberg sind Sie vor nicht allzu langer Zeit mit der harten Linie gescheitert, eine strenge Parkordnung durchzusetzen. Empfinden Sie die Zugeständnisse – etwa die Ausweisung von Liegewiesen oder die Freigabe von Radwegen – als Niederlage?

Nein. Sie waren notwendig. Dogmatische Denkmalpflege funktioniert in Zeiten des Massentourismus nicht mehr. Es musste eine Balance gefunden werden zwischen dem künstlerischen Wert des Parks und den heutigen Anforderungen. Die Anlage gehört zum Weltkulturerbe. Sie ist der bedeutendste Park des 19. Jahrhunderts, den wir haben und der einzige, in dem Lenné und Pückler als Gartengestalter gearbeitet haben. Dafür musste Sensibilität geweckt werden. In der Diskussion haben beide Seiten eine Menge gelernt, und wie immer findet man sich in der Mitte wieder.

Bleiben wir noch einen Augenblick in Babelsberg. Mit der Stadt haben Sie jahrelang um das Strandbad gestritten. Nach dem Gerichtsurteil, das beiden Seiten Flächen zusprach, haben Sie sich nun auf einen Grundstückstausch geeinigt. War es wirklich nötig, dafür vor Gericht zu ziehen?

Wir fanden, dass es einer Klärung bedurfte, ob das Strandbad Teil des Parks ist oder nicht. Zwei öffentliche Interessen waren hier gegensätzlich, wir haben das juristisch regeln lassen, aber auch ohne Groll. Wir wollten ja nicht gegen das Strandbad vorgehen. Nehmen Sie die Universitätsgebäude am Neuen Palais. Die gehören auch uns und kein Mensch käme auf die Idee zu sagen, die Uni muss da raus. Die Lösung, Flächen zu tauschen ist für beide Seiten sehr gut. Wir können den historischen Uferweg, den Drive, wiederherstellen und die Stadtwerke können das Strandbad baulich verbessern.

Im Streit um die Festlegung von Pufferzonen haben Sie sich dagegen sehr zurückgehalten und den deutschen Unesco-Vertretern von Icomos die Warnschüsse überlassen. Sind die Pufferzonen denn nicht wichtig für Sie?

Die Pufferzonen sind wichtig, betreffen aber in erster Linie die Frage, wie die Stadt ihr wichtigstes Aushängeschild schützen will. Da geben wir zunächst keine Ratschläge. Dennoch haben wir es sehr begrüßt, dass Icomos eine Entscheidung angemahnt hat, damit die Sache nicht ausgesessen wird. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass es schon seit Jahren eine mit Stadt und Land abgestimmte Leitplanung für die unmittelbare Umgebung des Welterbes gibt. Und wir müssen erwarten, dass sich unsere Partner auch dann daran halten, wenn es schwierig für sie wird. Beispielsweise müssen die T-Wohnheime für Studenten an der Kaiser-Friedrich-Straße mittelfristig deutlich abgestockt werden. Da reden wir über einen Zeitraum von etwa 20 Jahren. Wenn wir Millionen ins Neue Palais investieren, spielt auch die Frage eine Rolle, wie es dahinter aussieht. Dass dort Studenten wohnen, finde ich sinnvoll, aber die Plattenbauten sind zu hoch. Es können aus unserer Sicht dort neue, niedrigere Wohnheime gebaut werden. Auch die teilweise provisorischen Gebäude aus den letzten Jahrzehnten auf der anderen Seite der Straße Am Neuen Palais bedürfen einer Neuordnung. Es stellt sich also für uns nicht nur die Frage nach den Pufferzonen, sondern, wie Stadt und Land dafür sorgen können, dass Schädigungen des Weltkulturerbes aus früheren Zeiten zurückgenommen werden können.

Auf der anderen Seite haben Sie ja genug eigene Baustellen, und die zum Teil schon seit Jahren. Man denke nur an die Kolonnaden, die die beiden Communs am Neuen Palais verbinden. Seit Jahren sind sie nun schon eingerüstet. Zum 300-jährigen Friedrich-Jubiläum am 24. Januar 2012 sollte das Ensemble fertig sein. Danach sieht es derzeit nicht aus.

Wir werden alles 2012 fertigstellen, allerdings im Laufe des Jahres. Die Kolonnaden sind das wohl größte Natursteinbauwerk in Norddeutschland, nördlich der Frauenkirche gibt es nichts Vergleichbares. Das Bauwerk weist seit Jahrzehnten schwere Schäden auf, es hat Einstürze gegeben. Hinzu kommt, dass das Material sehr kompliziert ist und daher bei der Restaurierung hohe handwerkliche Anforderungen stellt. Außerdem konnten wir in den letzten Jahren die Mittel immer nur scheibchenweise einsetzen. Aber Qualität geht letztlich vor Jubiläumsdruck.

Welche Baumaßnahmen stehen denn 2010 auf dem Programm?

Wir werden pünktlich zur Schlössernacht endlich die Viehtränke am Fuße des Ruinenbergs fertigstellen. Aus Geldmangel hatten wir die Restaurierung der eingerüsteten Brunnenanlage seit Jahren verschieben müssen. Als großes Ereignis werden wir zudem die Restaurierung des Fontänenrondells unterhalb von Schloss Sanssouci abschließen und die restlichen Skulpturenkopien dort aufstellen. Zudem werden wir die Planungen für die Sanierung der Schlösser Babelsberg und Cecilienhof sowie für das Gelände des ehemaligen Hans-Otto-Theaters in der Zimmerstraße durchführen. Bis zum Frühjahr werden dort die Abrissarbeiten beendet sein und es wird Baufreiheit für das neue Stiftungsdepot sowie die Restaurierungswerkstätten herrschen. Auch im Bereich des Südtors am Neuen Palais werden wir die alten Baracken abreißen.

Im Frühjahr waren Sie drei Monate bei der Getty-Stiftung in Los Angeles. Welche Erfahrungen haben Sie bei der größten privaten Kunststiftung der Welt für Ihre Arbeit hier gewonnen?

Spannend fand ich, welch großes freiwilliges, ehrenamtliches Engagement die Amerikaner pflegen. Wenn zum Beispiel bei der Getty-Stiftung Besucher ankommen, stehen dort freundliche Damen und Herren, die die Gäste begrüßen. Wenn wir so etwas in den Parks hätten, wäre das sehr begrüßenswert. Auch die technische Ausstattung und der Service für wissenschaftliche Forschung ist vorbildlich. Da gibt es etwa einen „rollenden Schreibtisch“ für die Wissenschaftler. Sie bestellen beispielsweise für den Tag X alles über brasilianische Fotografie des 19. Jahrhunderts, dann kommen sie vorbei und bekommen alles auf einem Rollwagen geliefert. So etwas planen wir auch für unser Dokumentations- und Informationszentrum.

Sie sind jetzt seit sieben Jahren im Amt. Was werten Sie als Ihren bislang größten Erfolg, was als größte Niederlage?

Der größte Erfolg ist sicherlich der Masterplan zur Rettung des Welterbes. Dass wir bei allen drei Stiftungsgebern – dem Bund, Berlin und Brandenburg – insgesamt 155 Millionen Euro locker machen konnten. Als Niederlage muss ich werten, dass wir es bislang noch nicht geschafft haben, die Pflege der Gärten ausreichend zu sichern. Wenn man sich anguckt, wie manche Wege aussehen, die erst in den letzten 20 Jahren hergerichtet wurden, kann das nicht zufriedenstellen. Dafür müssen wir Lösungen finden.

Gibt es für Sie als Generaldirektor der Schlösserstiftung überhaupt noch etwas anderes, das Sie beruflich reizen könnte?

Momentan kann ich mir nichts Schöneres vorstellen. Es gibt so viele Aufgaben in den nächsten Jahren, denen ich mich noch gerne widmen will – etwa die Umsetzung des Masterplans und das Friedrich-Jubiläum. Aufgrund der Größe der Anlagen kann ich mich aber leider nicht um alles so detailliert kümmern, wie ich möchte. Manchmal denke ich, wie schön es wäre, nur ein Schloss mit einem kleinen Garten als Aufgabe zu haben. Oft ist man einfach zu weit weg von den Dingen.

Wie sieht Ihre Vision für das Ende Ihrer Amtszeit aus?

Ich möchte erreichen, dass das wissenschaftliche Profil der Stiftung gestärkt wird. Wir wollen für Forscher genau so attraktiv sein wie für Touristen. Und ich hoffe, dass der Verfallsprozess der historischen Gebäude dann dauerhaft gestoppt ist und wir die Schlösser und Gärten gut und ausreichend pflegen, damit es nicht in 50 Jahren wieder einen Masterplan braucht.

Das Interview führte Peer Straube

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