Landeshauptstadt: Tagen bis in die Nacht
Die Stadtverordneten haben heute von 13 bis 22 Uhr viel vor: Uferweg, Glienicker Horn, Trambrücke
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Mit Spannung erwartet das lokalpolitische Potsdam die heute ab 13 Uhr im Stadthaus tagende Stadtverordnetenversammlung. Zwar erreicht das öffentliche Interesse nicht das Maß einer Landtags-versus-Stadtschloss-Entscheidung. Dennoch liegen auch heute einige heiße Eisen im Feuer, dennoch sind auch heute Richtungsentscheidungen zu treffen, die Debatten auslösen werden.
Da ist der Bebauungsplan für die „Berliner Straße/Havelseite“. Dieses Gebiet ist besser bekannt als „Glienicker Horn“. Die Frage, in welchem Umfang dort gebaut werden darf, erregt seit Jahren die Gemüter – einschließlich die der Unesco-Mitarbeiter. Schließlich handelt es sich um bestes Welterbe-Terrain. Der Bauausschuss empfahl jüngst, dort keine weitere Bebauung mehr zuzulassen und den B-Plan diesbezüglich zu ändern. Doch die Eigentümer von vier noch nicht bebauten Flächen hatten Potsdams teuerstes Bauland gekauft – und haben dann vergleichsweise wertloses Grünland, sollten die Stadtverordneten dem Bauausschuss folgen. Ist dem so, kommen immense Schadensersatzklagen auf die Stadt zu.
Ebenso wenig Freude löst der B-Plan „Türkstraße“ aus, aus dem das Gelände des Wasser- und Schifffahrtsamtes herausgenommen wird. Da das Amt Bundesaufgaben wahrnimmt, darf es von der Stadt nicht überplant, sprich, ein Uferweg nicht festgelegt werden. Die Bauausschussmitglieder reagierten auf diese Information bereits recht säuerlich.
Diskussionen wird auch der Antrag auslösen, ab dem Schuljahr 2007/2008 Leistungs- und Begabungsklassen am Humboldt-Gymnasium, dem Hermann-von-Helmholtz-Gymnasium, dem Leibniz-Gymnasium und der Voltaire-Gesamtschule einzurichten. Eliteförderung oder „Eine Schule für alle“, das ist hier die Frage (siehe Seite 12).
Gegenstand großer Auseinandersetzungen zwischen dem Stadtparlament und der Stadtverwaltung ist die Sonderstraßenausbaubeitragssatzung, die zu genehmigen sich die Stadtverordneten bislang weigerten. Grund: Die Stadt hatte bei Straßenausbauten die Anlieger nicht beteiligt. Nun sollen diese dennoch Ausbaubeiträge zahlen. Sogar die Kommunalaufsicht hat die Weigerung der Stadtverordneten, eine Satzung als Basis für das Einkassieren der Beiträge zu erlassen, als rechtswidrig beurteilt.
Ein die Gemüter erregendes Top- Thema ist auch die geplante Trambrücke neben der Langen Brücke. Dafür wurde im Stadtauftrag für die Fördermittelanträge ein Kosten-Nutzen-Gutachten erarbeitet. Das Ergebnis: Die Trambrücke bringt einen volkswirtschaftlichen Nutzen von 95 700 Euro pro Jahr. Nun hat aber die Fraktion Die Andere einen Uni-Mathematiker in den eigenen Reihen, der das Gutachten nachgerechnet und „Manipulationen“ festgestellt hat. Die Andere fordert daher die Rücknahme der Fördermittelanträge. Aus anderen Fraktionen gibt aber bereits Signale, wonach das Land als Fördermittelgeber das Gutachten schon eingehend genug prüfen werde.
Als Streitauslöser ersten Ranges gilt auch das Thema Uferweg am Griebnitzsee.Planungshoheitlich schreibt Potsdam allen Uferanliegern die Freihaltung eines öffentlichen Uferweges vor. Allerdings ist die Stadt – genaugenommen der städtische Unternehmensverbund „Pro Potsdam“ – auf angrenzendem Berliner Territorium selbst Ufer-Eigentümer. „Pro Potsdam“ gehört das Grundstück des ehemaligen Zeltplatzes Steinstücken. Die SPD will nun auch dort einen Uferweg, allerdings gemäß einer Änderung im Bauausschuss unter Berücksichtigung des dortigen Naturschutzgebietes. Der Umweltausschuss lehnte den Antrag ab.
Wo soll das Potsdam-Museum hin? Die Linkspartei.PDS als auch die SPD wollen es am Alten Markt haben – die PDS allerdings in der Fachhochschule, die SPD im Alten Rathaus. Weiterhin geht die SPD mit einem Vorschlag ins Plenum, wonach das Naturkundemuseum in die Biosphärenhalle ziehen soll. Museumschef Detlef Knuth reagierte bereits entsetzt und sieht seine wertvollen Tierpräparate in der feuchten und warmen Halle verschimmeln.
Keine Verhandlungen mit dem katholischen Orden „Opus Dei“ zur Überlassung eines städtischen Gebäudes zur Einrichtung eines Knabengymnasiums – so lautet eine Forderung der Linkspartei.PDS, über die das Stadtparlament beraten wird. Die SPD will vor der Wahl eines freien Schulträgers für eine neue Schule in der fraglichen Ruinenberg-Kaserne im Bornstedter Feld zuerst prüfen lassen, ob der Standort überhaupt für eine Schule geeignet ist.
„Shared space“, (Raum für alle) ist ein neues Verkehrskonzept, das die SPD prüfen lassen will. Dabei geht es darum, Sicherheit suggerierende Verkehrsanlagen abzubauen, um die tatsächliche Sicherheit im Straßenverkehr zu erhöhen. Getrennte Spuren wirkten zum Beispiel sicher, aber in der Praxis erweise sich das Gegenteil: Getrennte Spuren verengten das Blickfeld und führten zu erhöhter Geschwindigkeit.
Letztlich gilt es für die Stadtverordneten auch, sich einer „invasiven Pflanzenart im Stadtgebiet“ entgegenzustellen, der „Ambrosia artemisiifolia“. Wie die Linkspartei.PDS beantragt, müssten „entsprechende Maßnahmen zur Bekämpfung“ eingeleitet werden.
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