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Landeshauptstadt: Tatra-Tür als Schwachstelle?

Tödlicher Tramunfall: Leiche des 17-Jährigen wird obduziert / Ähnlicher Unfall Anfang 2006

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Bornstedter Feld - Nach dem tödlichen Tram-Unfall am Samstag im Bornstedter Feld hat die Potsdamer Staatsanwaltschaft gestern Ermittlungen wegen fahrlässiger Tötung nicht ausgeschlossen. Derzeit gebe es aber noch kein formelles Verfahren gegen eine bestimmte Person, so ein Sprecher der Staatsanwaltschaft. Es seien Ermittlungen in alle Richtungen aufgenommen worden: „Wir prüfen unter anderem, ob technisches oder menschliches Versagen vorlag.“

Dazu hat die Staatsanwaltschaft gestern auch die Obduktion des Leichnams des 17-jährigen Potsdamers angeordnet, der an der Haltestelle „Campus Fachhochschule“ von einer Tatra-Straßenbahn erfasst und tödlich verletzt worden war. Ermittelt werden soll auch, ob der 17-Jährige betrunken war, als der Unfall sich ereignete. Außerdem untersucht die technische Prüfgesellschaft Dekra die Tram auf Mängel. Schnelle Aufklärung des Unfalls scheint allerdings damit kaum gegeben: „Die Anfertigung eines solchen Gutachtens kann Wochen dauern“, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft.

Die Potsdamer Verkehrsbetriebe (ViP) verwiesen gestern noch einmal darauf, dass aus ihrer Sicht an der Sicherheit der zum Unfallzeitpunkt eingesetzten Tram kein Zweifel bestünde. „Auch ein neuer Test ließ keine technischen Mängel erkennen“, sagte ViP-Sprecher Stefan Klotz. Zur weiteren Bewertung müsse der Bericht der Dekra-Experten abgewartet werden. Keine Angaben machten Polizei und ViP über die gestern aufgenommene Zeugenaussage des Fahrers der Unglücks-Tram.

Der Unfall hatte sich in der Nacht zum Samstag kurz nach Mitternacht ereignet. Der 17-Jährige Marc-Philip hatte sich zuvor die Feuerwerkersinfonie im Volkspark angesehen. Zum Hergang des Unfalls machen Zeugen unterschiedliche Angaben – eine Kamera war in der Tram nicht installiert. So berichteten Zeugen, dass der Junge beim Einsteigen in die Tram abgerutscht sei, sein Rucksack sich in der Tür verhakt habe und er so unter die Bahn geriet. Eine andere Augenzeugin will gesehen haben, dass die Tür der Tram noch offen war, als diese losfuhr – und der 17-Jährige sich daran festhielt und mitgerannt sei und dann unter die Bahn geriet. ViP-Geschäftsführer Martin Weis hatte gegenüber den PNN ausgeschlossen, dass die Tatra mit geöffneter Tür losfahren kann – ein Sicherheitsmechanismus hätte dies verhindert.

Allerdings funktioniert dieser Mechanismus offenbar nicht immer einwandfrei. So hatte ein Test Anfang 2006 ergeben, dass es möglich ist, sich eine Hand in den Tatra-Türen einzuklemmen. Dies hatte ViP-Chef Weis damals gegenüber den PNN einräumen müssen. Die Türen würden sich allerdings automatisch öffnen, wenn mehr als drei Zentimeter dicke Gegenstände zwischen sie geraten, so Weis damals. Anlass für den Test war ebenfalls ein Unfall: Damals hatte laut Polizei ein 39-jähriger Mann seiner Bekannten in der Bahn die Hand gereicht – doch plötzlich hatten sich die Türen geschlossen und die Bahn war losgefahren. In der Folge war der Mann zwischen die Waggons der bremsenden Bahn gestürzt. Er überlebte schwer verletzt.

ViP-Sprecher Klotz bestätigte gestern den Vorfall, wollte ihn allerdings nicht mit dem aktuellen Unfall in Verbindung gebracht wissen. „Ich möchte aber betonen, dass sich unsere Fahrer nicht nur auf die Türen verlassen, sondern auch angewiesen sind, vor dem Fahren immer in den Rückspiegel zu schauen.“

Allerdings ist unklar, ob der Blick in den Rückspiegel kurz vor dem Unfall am Samstag ohne weiteres möglich gewesen ist. Hunderte Menschen sollen Freitag um Mitternacht herum versucht haben, den Volkspark zu verlassen – laut Augenzeugen ohne nennenswerte Polizeibegleitung. Chaotische Szenen hätten sich abgespielt. Dies wies Polizeisprecherin Angelika Christen gestern zurück. „Elf Minuten nach dem Notruf waren die ersten Beamten vor Ort“, sagte Christen.

Am Unfallort erinnerten auch gestern Blumen und Briefe an den 17-jährigen Marc-Philip. Auf einem Abschiedsbrief steht: „Für Philip. Punker.“

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