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Proben für den Ersntfall. Christina Brandt trainiert im Schwimmbecken.

© M. Thomas

Landeshauptstadt: Tauchen nach Handys und Sonnenbrillen

Die Potsdamerin Christina Brandt wacht in ihrem Job nicht nur über die Sicherheit der Badegäste

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Schlaff und kraftlos schwimmt Christina Brandts Körper im Wasser, von allein könnte sie sich nicht mehr oben halten. Ein Rettungsschwimmer hält sie am Kinn und am Arm fest und zieht sie auf dem Rücken schwimmend zum Beckenrand. Zum Glück handelt es sich nicht um einen echten Notfall, sondern um das Rettungsschwimmer-Training in der Schwimmhalle am Brauhausberg, für das die 28-jährige Potsdamerin die ermattete Schwimmerin spielt. Bei der nächsten Runde werden die Rollen getauscht und sie wird es sein, die ihren Kollegen „rettet“.

Christina Brandt – von ihren Freunden nur „Tini“ genannt – ist schon seit 2001 Rettungsschwimmerin bei der Wasserwacht Potsdam. „Ein Schlüsselerlebnis habe ich nicht gehabt“, sagt sie über ihren Entschluss, professionell Menschen vor dem Ertrinken zu retten. „Ich hatte damals nach einem Hobby gesucht und meine Eltern meinten: Probier das doch mal. Es hat mir Spaß gemacht, und so bin ich dabei geblieben.“ Damit führt Brandt so etwas wie eine Familientradition fort: Ihre Eltern waren früher ebenfalls Rettungsschwimmer, ihre Großmutter war Synchronschwimmerin, ihr Großvater Wasserballspieler. Heute hat das Rettungsschwimmen einen hohen Stellenwert für sie: „Ich mag das Wasser und die Gemeinschaft bei der Wasserwacht.“

Um aktiver Rettungsschwimmer zu sein, muss man nicht nur zwei- bis dreimal die Woche ein anstrengendes Training absolvieren, sondern auch eine offizielle Prüfung bestehen, die alle zwei Jahre erneuert werden muss. Dabei müssen unter anderem Techniken wie der „Flaig“-Fesselschleppgriff, das Abschleppen oder das Retten mit voller Kleidung demonstriert werden. Im Ernstfall muss alles klappen: Über 170 Einsätze hatte die Wasserwacht Potsdam 2012 zu bewältigen. Damit die Arbeit getan werden kann, braucht es regelmäßigen Nachwuchs, doch derzeit sucht der Verein nach neuen Mitgliedern ab 15 Jahren. Die Zahl der aktiven Mitglieder hat sich seit 2001 von 80 auf rund 40 halbiert.

„Hört ihr mal auf zu quatschen? Mehr Konzentration!“, bellt Trainer Jens-Iven Jelloneck vom Beckenrand zwei Rettungsschwimmer an. Brandt hat keine Probleme mit dem rauen Ton, konzentriert und routiniert übt sie die verschiedenen Techniken. Zusätzlich ist Brandt noch Taucherin und Motorrettungsboot-Führerin bei der Wasserwacht. Als solche unterstützt sie die Potsdamer Feuerwehr bei Rettungseinsätzen, sie hat sogar einen Pieper für Notfälle bei sich. Auch beim Suchen und Bergen von Ertrunkenen hat sie schon mitgeholfen. „Diese seelische Belastung ist eigentlich die größte Herausforderung“, so Brandt.

Als Taucherin musste die junge Frau bislang vor allem beschädigte Boote wieder ans Tageslicht bringen: „Wir schwimmen zu den Wracks, befestigen Hebesäcke und die werden dann mit Luft gefüllt.“ Aber auch kleinere Dinge muss Brandt oft aus dem Wasser fischen, zum Beispiel Schlüssel, Handys oder teure Marken-Sonnenbrillen: „Hier in Potsdam gibt es ja auch einige wohlsituierte Badegäste“, sagt Brandt und grinst. Im Frühjahr müssen die Strandbäder von weniger wertvollen Gegenständen gereinigt werden: Dann holen die Rettungsschwimmer alte Fahrräder, Flaschen und anderes Gerümpel aus dem Wasser.

„Man muss schon ein kleines Helfersyndrom haben, um das alles freiwillig zu machen“, sagt Brandt. Rettungsschwimmen ist zeitintensiv: An Sommer-Wochenenden muss sie in den Strandbädern Templin oder Babelsberg präsent sein. „Es ist eine sehr große Verantwortung“, findet sie, „ich bin immer froh, wenn ich vom Turm runter bin und nichts passiert ist.“ Brandts Freunde reagieren gemischt auf ihr Engagement: „Manche sagen: Da muss man ja am Wochenende immer so früh aufstehen!“ Es sei auch wichtig, dass der Partner mit diesem Zeitplan klarkomme, so Brandt: „Aber mein Freund ist selbst bei der Wasserwacht Potsdam und oft beim Training mit dabei.“

Wenn sie gerade nicht für die Wasserwacht unterwegs ist, spielt Brandt Volleyball, fährt Fahrrad oder arbeitet an ihrer Dissertation – die studierte Tiermedizinerin plant, in der Nähe von Potsdam als Tierärztin zu arbeiten. Behandeln wird sie aber nur Großtiere wie Rinder oder Schweine: „Ich arbeite einfach lieber draußen“, erklärt Brandt ihre künftige Ausrichtung.

Auch wenn es zunächst paradox klingt: Einen Ertrinkenden hat Christina Brandt bislang noch nicht gerettet. Das gilt auch für viele Kollegen, denn meist besteht die Arbeit des Rettungsschwimmers in der Prävention: „Zum Beispiel habe ich einmal zusammen mit den anderen Rettungsschwimmern zwei Kajak-Fahrer aus einem Sturm geholt“, sagt Brandt. Bevor es gefährlich wurde, waren die Badegäste aus dem Wasser. „Wenn man niemanden retten muss, hat man einfach seine Arbeit gut gemacht.“ Erik Wenk

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