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Im Potsdamer Lustgarten schossen am Donnerstag nicht nur 1300 Kinder viele Tore, sondern auch Oberbürgermeister Jann Jakobs. Pro Tor werden zehn Kilogramm Lebensmittel an die Tafel gespendet, die damit Bedürftige versorgt.

© A. Klaer

Stadtwette gegen Oberbürgermeister Jakobs: Tausende Tore für die Potsdamer Tafel

2020 Tore für 22 Tonnen Lebensmittel: Der Bundesverband der Tafeln rief in Potsdam zur Stadtwette gegen Jann Jakobs auf, mehr als 1300 Potsdamer nahmen teil.

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Potsdam - Konzentration, ein kurzer Blick nach vorne und los: Jann Jakobs (SPD) dribbelt mit kurzem Anlauf auf den Ball zu und schießt. „Tooor!“, jubeln die über 300 Zuschauerinnen und Zuschauer im Lustgarten, die meisten davon Kinder. Torwart Jochen Brühl kann den Treffer verschmerzen, den er gerade kassiert hat, denn der Vorsitzende des Bundesverbandes Deutsche Tafel e.V. hat eine Wette mit dem Potsdamer Oberbürgermeister zu laufen: Wenn heute 2020 Tore geschossen werden, dann werden die Supermarkt-Ketten Penny und Rewe 22 Tonnen Lebensmittel an die Potsdamer Tafel spenden. Jakobs, der dagegen gewettet hat, muss dann einen Tag lang die Potsdamer Tafel bei der Essens-Ausgabe an Bedürftige unterstützen. „Treffer versenken, Essen verschenken“, so das Motto.

Wie viele Tore am Donnerstag beim Bundestreffen der Tafeln in Potsdam gefallen sind, verraten die Organisatoren noch nicht, doch es sieht danach aus, als wenn Jakobs schon mal einen Termin in seinem Dienstkalender freimachen muss: Über 1300 Kinder aus Potsdamer Schulen, Kitas und Horten hatten im Laufe des Tages den Lustgarten in Beschlag genommen und mit Begeisterung auf die mehr als ein Dutzend Tore und Torwände geschossen, die unter anderem von der Brandenburgischen Sportjugend bereitgestellt wurden.

Auch Turbine-Potsdam-Spielerinnen mit dabei

„Wir sind völlig überwältigt, mit so einer regen Beteiligung hätten wir nicht gerechnet“, sagt Gila Preiß von der Potsdamer Tafel. Neben Potsdamer Schulen und Kitas nahmen auch Spielerinnen von Turbine Potsdam sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Industrie- und Handelskammer Potsdam, der Stadtwerke, der Stadtentsorgung Potsdam des brandenburgischen Innenministeriums, des Hotel Mercure und diverser Sportläden an der Aktion teil.

Martin Kasimir findet die Idee super und hat selbst auch schon ein paar Tore geschossen: „Das muss man auf jeden Fall unterstützen“ Der Mitarbeiter der Potsdamer Bäderlandschaft beschäftigt sich selbst seit längerem mit dem Thema Lebensmittelverschwendung und wünscht sich ein Umdenken: „Viele kaufen mehr Essen ein, als sie eigentlich verbrauchen können und das landet dann im Müll. Daran ist auch die Werbung schuld.“ Um das zu vermeiden, kauft Kasimir drei bis vier Mal in der Woche nur das ein, was er gerade braucht, anstatt große Rieseneinkäufe zu machen. „Schließlich gibt es heutzutage so viele Möglichkeiten, frische und regionale Lebensmittel einzukaufen.“

Kita-Kinder begeistert bei der Sache

Währenddessen kommen immer neue Schulklassen und Kita-Gruppen auf dem Lustgarten an: Vor den Toren bilden sich regelrechte Schlangen, ständig hört man aus verschiedensten Richtungen des Platzes Anfeuerungsrufe und lautes „Tooor!“-Gejubel – alle wollen ihr Können und ihren Einsatz für die gute Sache unter Beweis stellen. Neben den Toren stehen Lehrkräfte und Erzieher mit Notizblock, um jeden Treffer zu notieren. „Die Kinder sind da sehr genau und passen auf, dass auch richtig gezählt wird“, sagt Peter Dahlke von der Potsdamer Tafel. Als sie ihren Kindern vom Hintergrund der Aktion erzählt habe, bei der jedes Tor zehn Kilo Lebensmittel für Bedürftige bedeute, seien die meisten sofort begeistert gewesen, sagt Erzieherin Mildred Paulenz: „22 von 23 Kindern aus meiner Gruppe sind heute hier.“

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Die Mitarbeiterin des Fröbel-Hortes Kastanienhof achtet auch im Hort-Alltag darauf, dass kein Essen verschwendet wird: „Zum Beispiel sagen wir den Kindern immer wieder, dass sie sich zum Mittag keine Riesenportionen auf den Teller tun sollen, die dann nur halb aufgegessen werden“, so Paulenz.So erfreulich das Engagement gerade von der Stadtpolitik am heutigen Tag ist, es hat auch einen bitteren Beigeschmack: Schließlich erledigen die Tafeln komplett ehrenamtlich die Versorgung von Bedürftigen, die eigentlich Aufgabe von Politik und Verwaltung sein sollte. Ein Einwand, den auch Gila Preiß kennt: „Natürlich muss das Grundproblem politisch gelöst werden, trotzdem werden wir deshalb nicht unseren Einsatz beenden. Denn wir sehen jeden Tag, dass es definitiv einen Bedarf gibt.“ Rund 1200 Menschen werden in Potsdam jede Woche durch die Tafel versorgt.

Ergebnis wird erst im Juli verkündet

Doch während die Zahl der Bedürftigen steige, sinken die Lebensmittelspenden, sagt Preiß: „Die Supermärkte kalkulieren vermutlich mittlerweile besser, so dass weniger Lebensmittel weggeworfen werden müssen.“ Eigentlich ein Erfolg, doch gleichzeitig fällt es den Tafeln so immer schwerer, ihre Kunden zu versorgen. Allein deshalb wäre der Potsdamer Tafel die Spende von Penny und Rewe überaus willkommen. Wie viele Tore am Donnerstag geschossen wurden, wird aber erst am ersten Juli bei der „Langen Tafel“ aufgelöst: Bei der mittlerweile regelmäßigen Aktion wird auf dem Luisenplatz ein großes öffentliches Essen stattfinden, an dem alle Potsdamer kostenlos teilnehmen können.

Falls wider Erwarten doch keine 2020 Tore gefallen sein sollten, ist das nicht wirklich schlimm. Denn dann muss Jochen Brühl seinen Teil der Wette einlösen: Anstatt Jann Jakobs muss er dann für einen Tag die Aufgaben des Oberbürgermeisters in Potsdamer Rathaus übernehmen. „Wetten sind dazu da, um verloren zu werden“, bringt es ein Teilnehmer der Stadtwette auf den Punkt.

Mehr Infos zur Potsdamer Tafel gibt es hier >>

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