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Landeshauptstadt: Taxifahrt mit Double

Im richtigen Leben gräbt Marcus Müller im ägyptischen Sand – im anderen ist er Filmstatist

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Im richtigen Leben gräbt Marcus Müller im ägyptischen Sand – im anderen ist er Filmstatist Einfach nur da sein. Tun was ihm gesagt wird. Und geduldig zuschauen. Marcus Müller liebt seinen Nebenjob. Im richtigen Leben gräbt er im ägyptischen Sand, ist Archäologe, schreibt gerade seine Doktorarbeit über das altägyptische Militär und sein Feldzugswesen. Im anderen bewirbt er sich als Film-Komparse, verehrt James Bond und steht sich bei Premieren am roten Teppich die Beine in den Bauch. Für die drei jüngsten Babelsberger Hollywood-Produktionen wurde Müller gecastet, beim Agententhriller „The Bourne Supremacy“ hatte er sechs Drehtage. Ob es ums Nildelta geht, die einstige ägyptische Hauptstadt Per-Ramses, oder um seinen Statistenauftritt am Berliner Bahnhof Friedrichstraße – der Wahl-Potsdamer erzählt von beidem mit gleich großer Ernsthaftigkeit. Vielleicht, weil sich die Welt des Films und die der Archäologie in zumindest einem Aspekt ähneln: In beiden sind Menschen zu finden, die Müller die „Enthusiasten und Idealisten“ nennt. Und zu denen er selbst auch gehört. Entsprechend begeistert verfolgt der Archäologe das Filmgeschehen. Am beeindruckendsten, sagt er, sei die „Großraum-Logistik“ bei den Hollywood-Drehs. „Wie detailliert jede Szene vorbereitet und geplant wird, ganz nahe an der Kamera aber auch im Hintergrund, das ist echt spitze.“ Auf dem Bahnhof, in der Friedrichstraße, in einer Nebenstraße und als Touristen auf einem Ausflugsdampfer seien die Komparsen für „The Bourne Supremacy“ platziert worden, jeder mit eigener Startposition und speziellem Laufweg. Dabei stehen die Chancen nicht schlecht, dem Hauptdarsteller – in diesem Fall Matt Damon – aus unmittelbarer Nähe bei der Arbeit zuschauen zu können. „Wir sind total nahe aneinander vorbeigelaufen, unsere Startpositionen waren nur drei Meter entfernt“, sagt Marcus Müller. „Matt wirkte sehr lässig, abgeklärt und professionell, und er war immer nett, nie missmutig.“ Kein „Etepetete-Gehabe“ habe der Star den Komparsen gezeigt, und auch für die Filmcrew will der 36-jährige Müller nur wärmste Empfehlungen abgeben. „Die Betreuer waren sehr zuvorkommend, wir haben uns immer wohl gefühlt, das war richtig klasse.“ Selbst die kalten Winternächte, in denen die Dreharbeiten stattfanden, konnten den Archäologen nicht schrecken. „Das ist nicht anstrengend, auch wenn zehn Stunden und mehr gearbeitet wird.“ Zwischen einzelnen Szenen halte man sich gemeinsam warm, lerne „nette Leute“ kennen, tausche sich aus. „Da friert man nicht allein.“ Müller hatte als Komparse jedoch auch einen Sondereinsatz: Am Steuer eines Taxis kutschierte er ein Matt-Damon-Double durch Berlin. Ein Zufall, denn eigentlich war der Potsdamer für diesen Dreh nicht ausgesucht worden, doch der planmäßige Taxifahrer war ausgefallen. „Wir wurden aus einem fahrenden Kameraauto gefilmt und sind an bekannten Berliner Plätzen vorbeigefahren“, so Müller. Straßen mussten für diesen Dreh und den Archäologen am Steuer allerdings nicht gesperrt werden. Noch immer ein wenig traurig ist Müller, dass er als Komparse bei den beiden anderen Babelsberger Kinofilmen – „Beyond the Sea“ von und mit Kevin Spacey und „In 80 Tagen um die Welt“ mit Jackie Chan – nicht vor die Kamera konnte. „Bei ,Beyond’ war ich als Chirurg gecastet und hatte mein Kostüm schon an, als die ganze Sequenz gestrichen wurde.“ Beim Massen-Casting für die Verfilmung des Jules-Verne-Klassikers ergatterte Müller einen Statisteneinsatz als Franzose, doch genau an jenem Tag, an dem er zum Einkleiden ins Studio Babelsberg bestellt war, hatte er auswärts einen wichtigen beruflichen Termin. „Das war ein Jammer.“ Ins Kino geht der Archäologe allerdings eher selten, und wenn, dann reizen ihn vor allem James Bond-Streifen. Seine Leidenschaft für den Geheimagenten ist fest verankert: „,Der Spion, der mich liebte’ war der erste Kinofilm überhaupt, den ich alleine und ganz bewusst gesehen habe.“ Damit war es um Müller geschehen. Diverse Bücher, Filmplakate, Postkarten, Fotos, Zeichnungen, eine Armbanduhr, ein Kartenspiel und ähnliche Bond-Devotionalien stapeln sich in seinen Regalen, und im Kleiderschrank liegen sogar Bond-T-Shirts und Bond-Socken. „Goldfinger“, sagt der Fan, sei der beste Bond-Film aller Zeiten, und das Erfolgsgeheimnis des Geheimagenten kann er auch erklären: „Die Filme sind per se spannend und waren technisch schon immer ihrer Zeit voraus.“ Außerdem sei James Bond ein „fabelhafter Charakter“, bewege sich souverän auf jedem Parkett, habe Esprit, Charme, Witz und sei um keine Pointe verlegen. Geht es nach Müller, sollte der aktuelle Bond Pierce Brosnan seinen Vertrag für noch zwei Filme verlängern. „Dann hätte er sieben gemacht, genauso wie Sean Connery und Roger Moore.“ Aber auch ein anderer Geheimagent hat Müllers Interesse geweckt. Ethan Hunt heißt er, und seine nächste Mission liegt in Babelsberg: Im Sommer soll hier der Dreh für „Mission Impossible 3“ mit Tom Cruise in der Hauptrolle beginnen. Marcus Müller hofft auf einen neuen Nebenjob.

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