Homepage: Texte, die auf üblichen Listen fehlen Ringvorlesung der Uni zur Frauenliteratur
Sie sei eine Frau von katzenhafter Zärtlichkeit und kalter Verschlagenheit gewesen. Eine Frau, die in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts, als eine der mondänsten von ganz Moskau galt: Die Deutsche Maria Osten, Journalistin, Schriftstellerin, Intellektuelle auf dem weltweiten Parkett.
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Sie sei eine Frau von katzenhafter Zärtlichkeit und kalter Verschlagenheit gewesen. Eine Frau, die in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts, als eine der mondänsten von ganz Moskau galt: Die Deutsche Maria Osten, Journalistin, Schriftstellerin, Intellektuelle auf dem weltweiten Parkett. Erst wurde sie von ihren Kollegen umjubelt, dann aber nach ihrem Tod weitgehend ignoriert. „Doch obwohl sie nur 34 Jahre alt geworden ist, ist sie es wert über sie zu sprechen“, so Dr. Simone Barck (Berlin) vergangenen Mittwoch an der Uni Potsdam. Denn Maria Osten sei eine starke Frau gewesen, die gegen Konventionen verstieß, um für ihre Ideale einzutreten.
Um solche Frauen geht es in der Ringvorlesung „Frauen, Literatur und soziale Bewegung“ des Germanistischen Instituts. Die Resonanz sei groß. „In den vergangenen Wochen sind nie weniger als 60 Studenten zu der Vorlesung gekommen“, sagt Prof. Dr. Helmut Peitsch, einer der Initiatoren dieser Reihe. 60 Studierende sind es diesmal nicht, doch der Raum ist auch wenige Tage vor Weihnachten noch gut gefüllt. Aus Pflichtgefühl scheint hier keiner gekommen zu sein.
„Es ist wirklich spannend, wie sich die Frauenforschung in den vergangenen Jahrzehnten verändert hat“, so Peitsch. „Wir haben Referentinnen, die seit mehreren Jahrzehnten an ihren Studien arbeiten, aber auch andere, die gerade erst promoviert haben. Das gibt einen ganz neuen Blick auf die Thematik.“ Autorinnen wie Else-Lasker Schüler oder Erika Mann wurden bereits behandelt. Christa Wolf oder Irmtraud Morgner, werden in den kommenden Vorlesungen besprochen. Texte sollen angeschnitten werden, die auf den üblichen Leselisten fehlen. Texte, wie diese von Maria Osten.
Die Tochter einer Großgrundbesitzerfamilie verließ Deutschland nach Hitlers Machtantritt. Sie trat der Kommunistischen Partei bei und suchte Asyl in Moskau. Ihren Geburtsnamen Greßhöners tauschte sie aus Liebe zur Sowjetunion gegen den Namen Osten. „Eine auffällige Erscheinung, die mit Eleganz und scharfen Verstand besticht“, so Simone Barck. Hemingway, Dos Passos und Kisch konnte die zierliche Frau zu ihren Freunden zählen. Ihr Geliebter war der berühmte Journalist Michail Kolzow. „Neidisch und gehässig kursierte die Gerüchteküche, vor allem bei den Männern, die auch gern bei ihr gelandet wären. Brecht etwa“, erzählt Simone Barck. In den eigenen Reihen fallen die beiden in Ungnade. Kolzow wird 1938 in Moskau verhaftet und liquidiert. Maria Osten wird kurze Zeit später im Rahmen der stalinistischen Säuberungsaktionen in einen russischen Gulag verschleppt.
„Ich war in den vergangenen Wochen freudig überrascht, wie bereit die Studierenden sind kritisch zu fragen“, so Peitsch. Doch kritisch wagte es an diesem Abend kaum jemand zu werden. Vielleicht weil es etwas Zeit brauchte, um die Fülle an Namen und Informationen zu verarbeiten. Vielleicht aber auch, weil die einst schillernde Figur der Moskauer intellektuellen Szene ein tragisches, düsteres Ende fand. „Es ist keine erfreuliche Geschichte so kurz vor Weihnachten“, sagte Simone Barck fast entschuldigend. Maria Osten wurde 1942 im russischen Saratow erschossen. Marion Schulz
Die Ringvorlesung wird am 11. Januar fortgesetzt. Dann spricht Dr. Justus Fetscher (Zentrum für Literaturforschung, Berlin) über Gertrud Kolmar. Beginn ist um 17 Uhr, am Uni-Komplex Neues Palais, Haus 9, Raum 205.
Marion Schulz
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