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Nicht mehr alles da: Dem Verkauf einiger Kunstgegenstände aus dem Thiemann-Garten hatte die Staatliche Schlösserverwaltung der DDR zugestimmt, um die geplante Wegnahme und den Verkauf von Kunstgütern aus den Schlössern zu verhindern.

© Stefan Gloede

Landeshauptstadt: Thiemann-Haus in morbidem Charme

Für Sanierung des Gebäudes und Restaurierung der Kunstsammlung hat Schlösserstiftung kein Geld

Stand:

Der morbide Charme des Thiemann-Hauses bleibt den Potsdamern erhalten. Vom Eigentümer, der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, konnte das Gebäude nahe dem Nauener Tor nicht in den Masterplan zur Rettung gefährdeter Baudenkmale aufgenommen werden. Damit rückt seine Sanierung in weite Ferne, die von der Erblasserin Gertrud Thiemann (1894 bis 1981) testamentarisch bestimmte öffentliche Nutzung reduziert sich auf stiftungsinterne Gedankenspiele.

Am Sonnabend hatten Interessenten die seltene Gelegenheit, in einer Führung mit der Kunsthistorikerin Saskia Hüneke das Außengelände zu betreten. Ein Blick ins Hausinnere, das nach Auszug des Pfingstbergvereins im Jahr 2007 noch drei Familien als Wohnung dient, wurde leider nicht ermöglicht.

Der Garten wird von teils kopf- und armlosen Figuren gesäumt, den Resten der einst reichen Thiemannschen Sammlung. Wie auch die vor sich hin rostenden Metallkunstwerke, künstlerische Textilien, Möbel u.a. sind sie durch die Kunsthistoriker der Stiftung erfasst, aber bis auf Ausnahmen noch nicht erforscht und zugeordnet worden. Heute ist im Garten und an den Hausfassaden nur ein Bruchteil der von Sigismund Thiemann gesammelten und ab 1921 hier gezeigten Kunstwerke zu sehen. Wertvolle Stücke wurden ins schützende Depot gebracht, Hüneke nannte als Beispiele eine hölzerne Christusfigur und die Statue einer rätselhaften ägyptischen Göttin. Ebenfalls im Depot liegt eine Replik des berühmten „Betenden Knaben“. Sie war 1994 vom Sockel gerissen und dabei stark beschädigt worden. Daraufhin warfen die Diebe sie als unverkäuflich in ein Waldstück, wo die Figur von der Stadtreinigung aufgefunden wurde.

Gertrud Thiemann, die 1946 im Erdgeschoss des Hauses einen Antiquitätenhandel eröffnete, hat sicher einige Stücke veräußert. Der größte Aderlass ergab sich jedoch nach der testamentarischen Übereignung an die damals staatliche Verwaltung der Schlösser und Gärten Potsdam-Sanssouci. Entgegen dem Willen Gertrud Thiemanns, die die wertvollsten Kunstgegenstände als Schenkung an museale Sammlungen der DDR übereignen wollte, wurden sie in den 1980er Jahren zu einem erheblichen Teil an die Stasi-Firma Mühlenbeck KG gegeben und durch Alexander Schalk-Golodkowski nach dem Westen verhökert, um für die DDR Devisen einzufahren.

Die damalige Schlösserverwaltung unter Generaldirektor Jochen Mückenberger habe in diesen Deal eingewilligt, um die geplante Wegnahme und den Verkauf wesentlich wertvollerer Kunstgüter aus den Schlössern zu verhindern, erklärte die beruflich als Kustodin für Skulpturen bei der Stiftung tätige Saskia Hüneke. Für eine Sanierung des Thiemann-Hauses, das 1854/55 durch Ludwig Ferdinand Hesse unter Einbeziehung von Teilen eines Vorgängerbaus als Wohnhaus für den Hofgärtner Heydert errichtet worden war, und im Kontext damit die Bewahrung der Thiemannschen Sammlung sieht sie gegenwärtig nur die Mitteleinwerbung mit dem Klingelbeutel. Die vom Potsdamer Kunstverein veranstaltete Führung gehörte zum Programm der Ausstellung „Kunst ohne König“, die vom Potsdam-Museum im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte gezeigt wird. Erhart Hohenstein

Die Führung wird am Sonnabend, 18. Juli, 17 Uhr, unter Leitung des Historikers Volker Punzel wiederholt

Erhart Hohenstein

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