ORTSTERMIN: Der Karnevalsbeginn in Potsdam: Thrombosestrümpfe für den OB
Steffi Pyanoe trifft Potsdamer Karnevalisten beim Warmschunkeln im Café Heider.
Stand:
Ein Sektchen? Die Dame im bordeauxroten Livree des Potsdamer Karneval Club (PKC) kichert. „Mein Gott, das ist die zwölfte Flasche“, sagt sie zu ihrer Kollegin und schenkt ein. Es ist kurz nach 10 Uhr, die Stimmung im Café Heider, wo sich am gestrigen 11.11. gut 30 Potsdamer Karnevalisten von PKC und Narrenschiff warmschunkeln, ist sozusagen prickelnd. Nach einem Frühstück werden die Karnevalisten gleich aufbrechen, zum Stadthaus marschieren und dort den Oberbürgermeister rausklingeln.
In der Ecke steht der große Hammer, mit dem PKC-Präsidentin Birgit Däßler an die Tür hämmern will. „Wir haben schon gehört, dass Jakobs in diesem Jahr nicht da ist. Burkhard Exner wird ihn vertreten“, sagt Däßler. Das ist nicht schlimm, beide Stadtchefs, findet sie, haben Humor. Die Karnevalisten haben auch ein Geschenk dabei: einen Präsentkorb mit Stauhelfern, Rätselheft, Urinflasche, Thrombosestrümpfe. Falls Exner oder Jakobs mal auf der Zeppelinstraße im Stau stecken bleiben.
Jetzt muss nur noch die Truppe in Form gebracht werden. Hans-Georg Meyer, genannt Sepp, Hofkompositeur des PKC, lässt im Obergeschoss die PKC-Hymne und den Song, mit dem man sich Zutritt zum Rathaus verschaffen will, noch mal üben. Auf die Melodie „Ja, wir sind mit’m Radel da“ singt die Menge „Jakobs gib den Schlüssel raus“. „Nee, nee, ihr müsst Exner singen!“, schreit Meyer entrüstet.
Die musikalische Begleitung liefern die Potsdamer Havelschipper, mit Gitarren und Akkordeon. „Sind alle gut im Training“, sagt Andy Büsser. Die frisch gewählte Prinzessin Antje I. vom Narrenschiff setzt sich dazu und schunkelt mit. Im wirklichen Leben ist Antje Köhler Rechtspflegerin, jetzt posiert sie im blau-weißen Kleid – ein Traum aus den Händen der Vereins-Hobbyschneiderin Susi – für letzte Handyfotos. Zu ihrem Gefolge gehören auch Zofen. Die haben sie im Auto hergebracht, selber fahren, das geht in dem üppigen Kleid nicht. Sie hat sich gut vorbereitet, sagt sie, ist aber nicht aufgeregt. „Ich habe auch eine kleine Rede in petto.“ Nur ein Prinz fehlt ihr – die Stelle bleibt in diesem Jahr unbesetzt.
„Wir sind ein wenig ausgedünnt heute“, sagt Mario Baer, seit drei Jahren Narrenschiffmitglied. Einige hätten aus privaten oder beruflichen Gründen kurzfristig abgesagt. Nicht jeder kann Urlaub nehmen am 11.11. Deshalb muss Frank Pioch, Vizepräsident vom Schiff, das männliche Kommando übernehmen. Sein Kaiser-Wilhelm-Bart zeigt heute eine extra schöne Kurve. Die Havelschipper spielen „Knocking on Heavens Door“, die Menge stampft den Rhythmus, bis der Holzfußboden vibriert. „Wir müssen langsam“, mahnt jemand um viertel vor elf. Eine Zofe zupft der Prinzessin noch schnell die Schleife zurecht, dann geht es im Vollstreckerschritt Richtung Stadthaus, wo der Finanzbeigeordnete Burkhard Exner schon wartet ...
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: