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Von Lars Hartfelder: Tiere gehören zur Familie
Im Kinderheim Weißack leben Mädchen und Jungen wie auf einem Bauernhof
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Weißack - Sanft bürstet Marie-Luies die Pferdemähne von Bonnie. Katja hält die Zügel fest in der Hand. Die beiden Schülerinnen leben in der Kinder- und Jugendwohnstätte „Eichenhof“ in Weißack bei Finsterwalde (Landkreis Elbe-Elster). Nach einem stressigen Tag finden Marie-Luies und Katja bei den Tieren Ruhe. Die Einrichtung in dem 350-Seelen-Dorf ist nach Angaben des Bildungsministeriums eins von rund 1000 Kinderheimen in Brandenburg, nur wenige davon arbeiten mit einem tiertherapeutischen Ansatz.
Die zwölfjährige Marie-Luies kümmert sich in ihrer Freizeit fast täglich um die Pflege des Pferdes. „Bonnie ist ein richtiger Freund geworden“, sagt das Mädchen, das seit drei Jahren in der heilpädagogischen Wohnstätte lebt. Ihm könne sie alles erzählen, er spende Freude an schönen Tagen und Trost in traurigen Momenten.
Marie-Luies fühlt sich wohl auf dem ehemaligen Rittergut aus dem 13. Jahrhundert. Das Zusammenleben mit den zahlreichen Tieren gefalle ihr besonders. „Wir sind wie eine große Familie“, sagt sie und Katja ergänzt: „Einschließlich der Tiere.“ Das Kinderheim in Weißack erinnert an einen großen Bauernhof.
Pferde, Schweine, Hühner und Lamas sind hier zu Hause. „Die tiergestützte pädagogische Arbeit ist der Grundpfeiler unserer Einrichtung“, sagt Marion Zander. Die 46-Jährige leitet das Heim seit eineinhalb Jahren. Die Schüler übernehmen Patenschaften und einen Großteil der Verantwortung für die Tiere, die von der Fütterung, Pflege bis hin zur Säuberung der Ställe reicht. „Im Beisammensein mit den Tieren können die Kinder und Jugendlichen gut ihren Stress abbauen“, betont Zander. Gleichzeitig würden die Kinder Grenzen kennenlernen.
Die Wohnstätte wolle den Schülern nicht nur eine Unterkunft, sondern vor allem Hilfe zu einem Weg in ein geordnetes Leben bieten. Soziale Kontakte zu Menschen außerhalb des Hauses seien daher besonders wichtig. „Die Einrichtung ist fest im Ort integriert. Viele Bewohner haben Freunde im Dorf“, erzählt die Heimleiterin.
Die meisten der jungen Heimbewohner haben eine schwierige Vergangenheit hinter sich. Die Probleme reichen von Konflikten mit den Eltern, über Gewalterfahrungen in der Familie bis hin zum Missbrauch. In Weißack finden sie Ruhe und Rückzugsmöglichkeiten.
„Die Tiere sprechen die Kinder vor allem emotional stark an“, sagt Therapeutin Anita Gerewitz. Das sei der Bereich, in dem die größten Defizite liegen. Den Mädchen und Jungen falle es leichter, sich Tieren zu öffnen. Sie akzeptierten Tiere so wie sie sind.
Die Beschäftigung mit den Tieren ist ein freiwilliges Angebot, das von den Kindern aber regelmäßig genutzt wird. „Die Mädchen und Jungen suchen nach der Schule vor allem den Weg zu den Pferden“, beobachtet Gerewitz jeden Tag. „Selbst hyperaktive Kinder können sich längere Zeit mit einem Tier beschäftigen.“ Die Tiere können die Erziehung zwar nicht ersetzen, wirken aber dennoch als eine Art Co-Therapeut, erklärt Gerewitz. Durch die Fütterung und Pflege würden die Kinder zudem zur Humanität erzogen.
Das ruhige Leben im abseits gelegenen Weißack hat aber auch Nachteile. Für die Kinder gilt es, morgens sehr früh aufzustehen. Bereits um 5.30 Uhr klingelt der Wecker. Eine Stunde später geht es schon auf Reisen. Marie-Luies fährt mit dem Bus zur Grundschule Luckau, Katja geht in Finsterwalde zum Unterricht. Doch Heimleiterin Zander verteidigt den Standort. „Die Bedingungen hier sind hier ideal. Das Zusammenleben mit den Tieren wäre anderswo nicht möglich.“
Lars Hartfelder
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