zum Hauptinhalt

Landeshauptstadt: Tischtennis für das Wartehaus

Die Bewohner des Asylbewerberheims am Lerchensteig bekamen gestern Sportgeräte geschenkt

Stand:

Bornim - Quinn Etoh beherrscht die deutsche Sprache schon ziemlich gut, sieht kerngesund aus, ist 24 Jahre alt – und trotzdem sieht der junge Mann aus Kamerun zur Zeit keine Perspektive. Seit zweieinhalb Jahren lebt er im Asylantenheim am Lerchensteig. Lieber würde er arbeiten, noch lieber studieren: „Doch das darf ich nicht, weil mein Asylverfahren noch nicht abgeschlossen ist“, sagte Quinn gestern. Deshalb sei für ihn „alles gerade schwierig“.

Allerdings hatten Quinn und viele andere Flüchtlinge am gestrigen Tag auch einen Grund zur Freude: Finanziert von Mitteln des Programms „Integration durch Sport“ der Brandenburgischen Sportjugend wurde gestern in einem Saal des Heims eine neue Tischtennisplatte aufgebaut. Dazu bekam das von der Arbeiterwohlfahrt betriebene Haus zwölf Tischtenniskellen und 100 Bälle geschenkt. „Sport ist in unserem Heim ganz wichtig“, sagte Sozialarbeiter Björn Steinberg. Denn die Hauptaufgabe der hier etwa 200 betreuten Asylanten sei vor allem das Warten darauf, wie schnell Behörden und Gerichte über ihre Einzelfälle entscheiden. „Manche werden dadurch depressiv, manche aggressiv“, so Steinberg. Sport wie Tischtennis könne da als Ablenkung dienen, „als Ventil“.

Im Asylübergangsheim, so heißen die Flachbauten am Lerchensteig in der Behördensprache, können die Bewohner mehrere Sportarten ausüben. Neben Tischtennis sei besonders Volleyball oder die Nutzung des kleinen Fitnessraums sehr beliebt, sagte Steinberg. Und vor allem Fußball. „Gerade bereitet sich unsere Mannschaft auf das zweite Spiel gegen ein Team der Potsdamer Polizei vor, dass in etwa zwei Wochen am 25. Juli stattfinden soll.“ Schon im vergangenen Jahr hatte eine Mannschaft der Polizei gegen die Asylbewerber gekickt – und mit 3:2 verloren. „So können sich die Leute austoben und bekommen den Kopf frei“, sagte Steinberg.

Gegenüber den PNN schilderte der Sozialarbeiter auch, welche Härten in dem Heim vorkämen. „Die längste Zeit eines Bewohners hier beträgt nun 16 Jahre.“ Dazu hätte die Mehrheit der im Heim lebenden Menschen bereits einen abgelehnten Asylantrag, würden aber noch geduldet. „Sie hangeln sich von Monat zu Monat und hoffen, dass es doch noch etwas wird.“ Besonders schwer sei es für viele, überhaupt ihre Identität nachzuweisen, wenn ihr Heimatland solche Daten nicht herausgeben wolle. „Solche Situationen können sich lang hinziehen.“ Gleichzeitig seien die Möglichkeiten des eigenen Handelns für die Asylbewerber stark eingeschränkt, so Steinberg: Für sie gelte unter anderem ein Arbeitsverbot, zudem dürften sie kein Studium und keine Ausbildung beginnen. Etwa 200 Euro im Monat bekämen sie vom Staat. Oft hätten deswegen viele schon ein Problem, sich ein Busticket in die Innenstadt zu leisten, so Steinberg „In diesem Zustand gehen dann die Jahre dahin.“

Quinn Etoh allerdings hat noch einen Rest Hoffnung, dass er in Deutschland irgendwann sein Landwirtschaftsstudium wieder aufnehmen kann, das er in seiner Heimat begonnen, aber nie abgeschlossen hat. „Ich musste aus politischen Gründen aus Kamerun fliehen“, sagte Etoh. Doch hat er sich den Neuanfang in Deutschland so vorgestellt? Er überlegt: „Wenn du keine Zukunftsperspektive hast, ist es natürlich schwer.“ Später stand Quinn Etho wieder an der neuen Tischtennisplatte: „Die ist für uns sehr wichtig, das Spielen macht bei uns den Kopf besser.“ Henri Kramer

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })