Landeshauptstadt: Toleranzedikt und Wohnen
PWG1956 ZUM EDIKT VON POTSDAM
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PWG1956 ZUM EDIKT VON POTSDAM LINKS UND RECHTS DER LANGEN BRÜCKE Die Potsdamer Wohnungsbaugenossenschaft 1956 hat etwas sehr Ungewöhnliches unternommen: Am Donnerstagabend lud sie zu einem öffentlichen Rundgespräch über das Edikt von Potsdam, das sich nach dem gregorianischen Kalender am 8. November jährt, in die Französische Kirche ein. Kurfürst Friedrich Wilhelm hatte 1685 eine Art Einwanderungsgesetz für reformierte Franzosen erlassen und durch Zeitungen verbreiten lassen. Mit wirtschaftlichen Vergünstigungen lockte er arbeitswillige und -fähige Menschen nach Preußen, das einer Auffrischung seiner Bevölkerung dringend bedurfte. Durch das „Toleranzedikt“ gelangten 20000 Hugenotten nach Brandenburg, 5000 davon nach Berlin, ein paar blieben in Potsdam hängen. Diese siedelten sich beileibe nicht konzentriert im so genannten Französischen Viertel, für dessen Neubebauung gestern der Grundstein gelegt wurde, an. Das nur nebenbei. Hauptthema des Rundgespräches, an dem Leute wie Lothar de Maizière und die frühere Berliner Ausländerbeauftragte Barbara John teilnahmen, war die Integration. Wie gelingt sie und wie lange dauert sie? Und was können die Wohnungsunternehmen dazu beitragen? Solch ein Gespräch ist schon einmal ein guter Ansatz. Aber jemand, der in ein fremdes Land kommt, braucht ein Dach über dem Kopf und er darf nicht sozial ausgegrenzt werden. Das ist leichter gesagt als getan. Barbara John erwähnte, dass es fünfzehn Jahre lang eine Zuzugssperre von Ausländern für die (West) Berliner Innenstadtbezirke gab. In Potsdam ist es im Gegenteil gegenwärtig erklärte Politik, Asylbewerber in Wohnungen unterzubringen. Die Vorsitzende des Ausländerbeirates hat das erst kürzlich vor der Stadtverordnetenversammlung vertreten. Doch dort, wo Ausländer in größerer Zahl wohnen wie am Schlaatz, geht das nicht konfliktfrei ab. Paul-Louis Marty aus Frankreich, der am Rundgespräch teilnahm, berichtete, dass das in seinem Land bei den aus ehemaligen Kolonien rückgeführten Menschen nicht anders ist, obwohl diese die Sprache des Landes sprechen. „Die Kluft und die Konflikte werden größer“, resümierte Marty. Das wird sich in Deutschland und in Potsdam nicht anders entwickeln, wenn nicht eine soziale Chancengleichheit zwischen Hiesigen und Fremden hergestellt werden kann. Günter Schenke
Günter Schenke
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