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Hat „alle Zeit der Welt“: Erik von Grawert- May mit den Glocken.

© M. Thomas

Landeshauptstadt: Toleranzglocken landen im Depot

Stadtschlossverein dankt dem Spender Erik von Grawert-May / Verwendung völlig unklar

Stand:

Innenstadt – Auf dem Anhänger eines Lieferwagens sind am Samstagvormittag die beiden „Toleranzglocken“ aus Spremberg auf dem Alten Markt eingetroffen. Doch sie landen erst einmal in der „Garage der Garnisonkirche“ in einer Fahrzeughalle des alten Feuerwehrstandortes. Der Vorsitzende des Stadtschloss-Fördervereins, Michael Schöne, dankte dem Spender Erik von Grawert-May und zeigte sich „traurig, dass wir heute hier mit den Glocken stehen und keine Lösung haben.“

Wie berichtet hatte es Landtagspräsident Gunter Fritsch (SPD) nach Beratung mit der Kulturkommission abgelehnt, die Glocken im Fortunaportal aufhängen zu lassen. Begründung: Das Schloss werde äußerlich in der Gestalt von 1744 wieder aufgebaut und zu diesem Zeitpunkt war die Galerie des Portals leer.

Etwa hundert Personen hatten die Ankunft der Glocken auf dem Alten Markt erwartet und äußerten sich zur Installation im Fortunaportal überwiegend positiv. „Ein solches Geschenk sollte man annehmen“, sagt der renommierte Kirchenhistoriker Andreas Kitschke. Die Glocken habe es nachweislich als Geläut für die Schlosskapelle gegeben. Anhand von Rechnungen des Glöckners lasse sich das zurückverfolgen. Nachdem Friedrich II. die Räume der Schlosskapelle zu Wohnungen umbauen ließ, habe er die Glocken 1750 entfernen lassen. Möglicherweise war zu diesem Zeitpunkt der Glockenstuhl statisch nicht mehr sicher.

Grawert-May zeigte sich durch die Ablehnung des Landtages nicht entmutigt: „Der Landtag hat alle Zeit der Welt. So schnell schießen die Preußen nicht.“ Nach seiner Vorstellung sollen die Glocken immer dann erklingen, wenn der Landtag oder die Stadt Potsdam über etwas debattiert, was Fragen der Toleranz berührt. Grawert-May, der sich als Sponsor Erik von Senftenberg nennt, nimmt ausdrücklich Bezug auf das „Khur-Brandenburgische Edict“ vom 29. Oktober 1685, das Kurfürst Friedrich Wilhelm erlassen hatte. Einer Glocken-Installation an einem alternativen Ort wie von Fritsch angeboten könne Grawert-May nicht folgen. Das Schloss sei Ort der Verkündung der als „Toleranzedikt von Potsdam“ in die Geschichte eingegangenen kurfürstlichen Order. Das Fortunaportal sehe er als dessen „architektonische Verkörperung.“

Hans-Joachim Kuke zufolge würden die Glocken das Fortunaportal künstlerisch komplettieren. Das Argument vom Wiederaufbau-Architekten Peter Kulka, das sei nicht im Sinne Knobelsdorffs, bezeichnete der Kunsthistoriker als „eine Privatmeinung“. Kuke: „Beim Treppenhaus ist von Knobelsdorff nicht die Rede, das ist ein ,kompletter Kulka“.

„Eric von Senftenberg“ hatte die beiden circa 45 und 39 Zentimeter hohen Glocken in der Kunstgießerei Lauchhammer herstellen lassen und dafür 10 200 Euro bezahlt. Sie bestehen aus einer Legierung aus Glockenbronze und Zinn, ihre Tonlagen seien von einem Klangmeister auf die Tonlagen der großen Schwestern der Nikolaikirche harmonisch abgestimmt.

Das ganze Projekt samt Glockenstuhl belaufe sich auf 50 000 Euro. Die Prägung „Toleranzglocken von Senftenberg“ solle laut Spender einen Bezug zur sogenannten „Waschkaue“ in der Stadt an der schwarzen Elster herstellen. Im Turm dieses Backsteingebäudes aus der Senftenberger Braunkohlezeit hingen ebenfalls zwei Glocken. Der in Berlin lebende 68-jährige Grawert-May war an der Fachhochschule Lausitz 15 Jahre lang Professor für Unternehmensethik und -kultur und fühlt sich daher mit diesem Ort eng verbunden. Durch sein Engagement in Potsdam erhoffe er sich, dass das verwandte Projekt in Senftenberg vorangetrieben werde. Zum weiteren Schicksal seiner Spende äußerte er sich optimistisch. Spätestens im Jahre 2017, am 500. Jahrestag der Reformation, würden die Glocken am historisch angestammten Ort erklingen. Grawert-May: „Vielleicht gibt’s dann einen anderen Landtagspräsidenten.“ Günter Schenke

Günter Schenke

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