Landeshauptstadt: Töne aus der Luft gegriffen
Der Potsdamer Omer Yosha erfand ein Klavier, das per Infrarot auf Handbewegungen reagiert
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Wie ein Illusions-Künstler steht Omer Yosha da. Bedächtig fließend bewegt er seine Hände über dem Tisch. Während kleine Dioden unter einer dunklen Glasplatte blinken, formt sich im Rhythmus seiner Hände eine magische Melodie. Es ist, als ob der vermeintliche Magier die Töne aus der Luft pflückt. Doch was der Design-Student aus Potsdam da zur Verblüffung eines jeden Zuschauers tut, ist keine Magie. „Es ist eigentlich schon eine alte Technologie“, sagt der aus Israel stammende Yosha. „Ich habe nur etwas Neues daraus gemacht.“ Per Infrarot nämlich erkennen verschiedene Sensoren unter einer Glasscheibe, wo sich die Hände des Spielers befinden. Dieser Prototyp hat acht Infrarot-Sensoren mal 3 Stufen in der Luft, also 24 virtuelle Tasten. Jede Taste spielt einen vorprogrammierten Ton. Doch das ist noch lange nicht alles. Omer Yosha kann mit seinem Computer den Tasten die unterschiedlichsten Bestimmungen zuordnen. Nicht nur alle erdenklichen Musikinstrumente sind möglich – auch Funktionen wie Langsam oder Schnell, Stoppen oder Starten lassen sich programmieren. Auch vorgefertigte Rhythmen sind möglich. Dabei könnte man das Luftklavier getrost als ein Baby seiner beiden Faibles bezeichnen. Musik und Design – genauer gesagt Interface-Design – diese Studienrichtung setzt sich mit der Benutzerfreundlichkeit von Geräten und Programmen auseinander.
Der in der Nähe von Tel Aviv aufgewachsene Omer Yosha hat zunächst ein Musikstudium angefangen. Das ist seine Leidenschaft, wie er erzählt. Öffentlich gespielt hat er sowieso schon sehr früh, meist Gitarre. Und dazu gesungen. Auch eine CD gibt es schon von ihm. In Richtung Akustik-Rock gehe seine Musik, es sei jedoch ein ganz eigener Stil. Nachdem er seinen Wehrdienst in Israel abgeleistet hatte, wollte er raus. „So, wie viele Jugendliche in Israel“, sagt er. Es zog ihn zunächst 26-jährig nach London. Denn die Chancen, dort mit englischsprachiger Musik Erfolg zu haben, waren für ihn höher. Doch London stellte sich bald zu hektisch für den eher ruhigen Typen heraus. Und so kam er nach Indien, wo er an verschiedenen Orten sein Glück versuchte. „Immer mit meinen schweren Koffern und Musikinstrumenten unterwegs“, sagt er.
Von Indien ging es vor fast vier Jahren direkt nach Berlin – die Stadt, von der er so viel Gutes gehört hatte. Und die auch ihm Glück brachte. Schon sechs Wochen nach seinem Ankommen lernte er seine große Liebe kennen, mit der er im Stadtteil Schöneberg zusammen wohnt. Seit zwei Jahren absolviert er den Studiengang Interface-Design an der Fachhochschule Potsdam. Das Airpiano hat er jedoch in seiner Freizeit gebaut – in den Semesterferien. Zuvor hatte er schon ein paar Schuhe mit den Tasten einer kabellosen Tastatur ausgestattet, um so bei Schritt- und Tanzbewegungen Trommeleffekte zu erzielen. Später kam ihm dann die Idee mit den Infrarot-Sensoren. Innerhalb von sieben Wochen war es fertig. Die Studentenkollegen waren begeistert. Und seine Professoren so angetan, dass sie ihn mit dem schwarz glänzenden Prototypen zur diesjährigen Hannovermesse schickten.
Angesichts der magischen Wirkung, die das Air-Piano oder vielmehr dessen Bediener ausstrahlt, dürfte wohl jeder DJ auch bald eins haben wollen. Man stelle sich vor, auf einem Pult, zwischen Scheinwerferstrahlen und Nebelschwaden steht ein Mann, der Orgelklänge hervorruft – einzig durch die Bewegungen seiner Hände. Das Publikum würde ihn allein wegen des Showeffekts anbeten – auch wenn er nur eine Hand voll Töne beisteuern könnte. Und wenn dann jemand wie Omer Yosha mit spielerischer Leichtigkeit an den virtuellen Knöpfen tastend ein Präludium von Bach hinzaubert – das kann er wirklich – müsste der Saal wohl toben. Doch Omer Yosha hat nicht nur den Showeffekt im Sinn. Der bescheidene Mann denkt eher daran, dass die Technologie noch andere Sachen kann. Konkrete Vorstellungen hat er noch nicht. Spielzeug sei so ein Zweig, wo das System zum Einsatz kommen könnte, meint er. Für Menschen mit Behinderung könnte es ebenfalls nützlich sein, „weil die Berührung einer physische Taste unnötig ist“.
Andreas Wilhelm
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