Landeshauptstadt: Topographie der Toleranz
Innenausbau der Lepsius-Villa zur Begegnungs- und Erinnerungsstätte beginnt
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Innenausbau der Lepsius-Villa zur Begegnungs- und Erinnerungsstätte beginnt Von Erhart Hohenstein Nauener Vorstadt - In hellen Farbtönen leuchtet die erneuerte Fassade der Lepsius-Villa hinter den Gerüsten. Bis zur Jahresmitte will die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten die Außensanierung des 1772 errichteten, später mehrfach umgebauten und erweiterten Weinmeisterhauses am Fuß des Pfingstberges abschließen. Als zweite große Aufgabe wird nun der Innenausbau beginnen, den der Förderverein Lepsius-Haus Potsdam e.V. übernommen hat. Bekanntlich soll das Gebäude an das Wirken von Dr. Johannes Lepsius erinnern, der hier von 1907 bis 1925 lebte. Damit verbunden ist die tragische Geschichte der von der Türkei verfolgten armenischen Christen, für die sich der Theologe besonders eingesetzt hat. Vorgesehen sind eine Ausstellung, die Wiedereinrichtung des historischen Arbeitszimmers, in dem Lepsius unter anderem 1915 die Dokumentation „Bericht über die Lage des armenischen Volkes in der Türkei“ geschrieben hat, eine Bibliothek, ein Dokumenten- und ein Zeitschriften-Archiv sowie ein Konferenzraum. Der von Generalsuperintendent Hans- Ulrich Schulz geführte Verein hat jetzt in einem Schreiben die Freunde des armenischen Volkes und die armenische Diaspora (im Ausland lebende Armenier) gebeten, sein Vorhaben moralisch und finanziell zu unterstützen. Etwa 200 000 Euro werden benötigt, um die Begegnungs- und Erinnerungsstätte wie beabsichtigt in der zweiten Jahreshälfte 2006 eröffnen zu können. Durch Vermittlung seines Vorstandsmitgliedes Prof. Hermann Goltz wird der Verein eine Kopie des Lepsius- Archivs der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg erhalten. Der Lepsius- Enkel Prof. Manfred Aschke, ebenfalls im Vorstand, unterstützt den Aufbau der Sammlung ebenso wie die Armenische Botschaft und die beiden geistlichen Oberhäupter der armenischen Kirche, Garegin II. und Aram I. Ihre Arbeit bereits aufgenommen hat als Forschungs- und Diskussionsforum die 1925 von Lepsius gegründete und nun wiederbelebte Deutsch-Armenischen Akademie. Sie wird am 19. April in Potsdam mit einem Urania-Vortrag von Dr. Rolf Hosfeld über sein Buch „Operation Nemesis. Die Türkei, Deutschland und der Völkermord an den Armeniern“ an die Öffentlichkeit treten. Am Dienstag, dem 26. April, um 18.30 Uhr findet an der Lepsius-Villa und in der Pfingstkirche ein Gedenken anlässlich des 90. Jahrestages des Genozids statt. Nach gegen die Unabhängigkeitsbestrebungen gerichteten Pogromen 1894 bis 1896 und 1909 wurden 1915/16 die Armenier deportiert und etwa 1,5 Millionen von ihnen ermordet oder in den Tod getrieben. Bis heute rechtfertigt die offizielle Türkei die Verfolgung als „kriegsbedingt“. Hans-Ulrich Schulz ist sich dieser Problematik bewusst. Die Darstellung des Genozids im Lepsius-Haus sei nicht „türkeifeindlich“, sondern folge der historischen Wahrheit. Sie spare nicht aus, dass Deutschland als Kriegsverbündeter die Berichte von Lepsius unterdrückte und Hitler mit dem Holocaust an dem Genozid anknüpfte. Das Wirken des Theologen, ein Beispiel „für Zivilcourage aus christlichem Geist“, seit stets auf die Versöhnung der Völker gerichtet gewesen. Er habe die Menschenrechte über die nationalen Interessen gestellt. Dem entspreche auch das Konzept des Lepsius-Hauses. Hans-Ulrich Schulz stellt den lange Zeit totgeschwiegenen und vergessenen Johannes Lepsius in seinem Wirken für Menschlichkeit und Toleranz über das Engagement für das armenische Volk hinaus in eine Reihe mit Persönlichkeiten wie Dietrich Bonhoeffer oder Albert Schweitzer. Er sieht die Lepsius-Villa als Teil einer gegen die „Topographie des Terrors“ gerichteten „Topographie der Toleranz“, wie sie sich in der Umgebung im Belvedere auf dem Pfingstberg, in Schloss Cecilienhof, dem Jüdischen Friedhof, der Pfingstkirche, der Russischen Kolonie Alexandrowka und der Alexander-Newski-Kapelle, aber als Negativbeispiel auch im KGB-Gefängnis Leistikowstraße verkörpert. Besucherprogramme könnten auf einen Rundgang durch diesen „Garten der Geschichte“ ausgerichtet werden.
Erhart Hohenstein
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