Landeshauptstadt: Totenmesse und Sekt-Party
Vor dem Jahrestag der Bombennacht 1945 bereiten sich Kirche und Stadt auf mögliche Konflikte vor
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Innenstadt - Nach dem eskalierten Gedenkspaziergang zum sogenannten „Tag von Potsdam“ vor drei Wochen zeichnet sich am Wochenende erneut ein Konflikt um Gedenken ab: Wie berichtet wird am Sonntag ab 18 Uhr in der Nikolaikirche dem Jahrestag der Zerstörung Potsdams in der Bombennacht 1945 gedacht – eine Stunde vorher haben Linksalternative auf dem Alten Markt vor der Kirche zur Feier einer neuen Broschüre und „des Endes Preußens“ mit Livemusik und Sekt eingeladen. Kirche und Stadt beobachten die Ankündigung mit Sorge und wollen sich auf mögliche Konflikte vorbereiten.
„Das Rathaus hofft, dass es nicht zu einem ähnlich unwürdigen Spektakel kommt wie beim Demokratiespaziergang“, sagte Stadtsprecher Stefan Schulz am Donnerstag. Anlässlich des „Tags von Potsdam“ hatten Linksalternative einen von den Kirchen und der Stadt organisierten Demokratiespaziergang, bei dem der Opfer des Nazi-Regimes gedacht wurde, mit Nazi-Uniformen und Totenkopfbemalung flankiert und Redebeiträge teils unmöglich gemacht (PNN berichteten). Die Aktion war auf scharfe Kritik und breites Unverständnis gestoßen.
Vor der Gedenkveranstaltung am Sonntag will sich nun auch die Nikolaikirchengemeinde besser auf mögliche Konflikte vorbereiten: Mit der Polizei habe man bereits verschiedene Szenarien besprochen, sagte der Gemeindekirchenratsvorsitzende Joachim Uhlig den PNN. „Lautstarke Störungen“ oder gar Krawalle in der Kirche werde man nicht akzeptieren, betonte er. Weitere Details zu den Absprachen mit der Polizei wollte er nicht nennen. „Wir gehen davon aus, dass beide Veranstaltungen in gegenseitigem Respekt stattfinden“, so Uhlig. Die Polizei stellte die Antwort auf eine PNN-Anfrage zum Thema für Freitag in Aussicht.
Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) wird krankheitsbedingt am Sonntag nicht vor Ort sein und voraussichtlich durch Bürgermeister Burkhard Exner (SPD) vertreten, sagte Stadtsprecher Schulz. Zur Vorbereitung seien am heutigen Freitag noch Gespräche geplant.
Während der Gedenkveranstaltung soll das „Potsdam Requiem“ – eine Totenmesse –, das der Nikolaikirchenkantor Björn O. Wiede komponiert hat, uraufgeführt werden. Die Neue Potsdamer Hofkapelle begleitet dafür den Nikolaichor. Gedenkworte werden Oberkirchenrat Martin Vogel und Bürgermeister Exner sprechen. Bei der Gegenaktion auf dem Alten Markt wird eine kritische Broschüre zum Friedrich-Jubiläumsjahr 2012 vorgestellt. „Zwischen Vertriebenendenkmal und frisch wiederaufgebautem preußischen Machtbau findet nun ein an die deutschen Opfer gedenkender Gottesdienst in der Nikolaikirche statt, an einem Ort, an dem am Tag von Potsdam Tausende dem Führer gehuldigt haben“, heißt es dazu in der Einladung, die im Internet verbreitet wurde.
Nikolaikirchenkantor Wiede empört sich über die Unterstellung, dass die, die jetzt um die Toten trauern, nicht auch Ursachen für den Krieg erkennen könnten. In dem von ihm komponierten Requiem „klingen natürlich Fragen nach Gründen und Schuld mit“, betont er. Für Wiede ist die geplante Gegenaktion Zeichen dafür, „wie politisch Kunst sein kann“. „Ich hoffe, dass die breite Kritik an der SS-Maskerade im März bei den Leuten ein Nachdenken ausgelöst hat“, sagte er.
Mit der Gedenkenveranstaltung am Sonntag wird an den britischen Bombenangriff in der Nacht vom 14. auf den 15. April 1945 gedacht, bei dem ein Großteil der Potsdamer Innenstadt zerstört wurde und beinahe 1600 Potsdamer starben.
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