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Landeshauptstadt: Totenstille

Der Forensiker Dr. Mark Benecke füllte ein ganzes Wochenende lang die Waschhaus-Arena

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Hier kommt ein Hinweis an alle, die sich beruflich verändern wollen: „Es gibt zu wenige Fäulnisspezialisten“, sagt Mark Benecke. „Feuchte Leichen haben die Eigenschaft zu zerlaufen, an dem Farbspiel des Glibbers lässt sich einiges über Todesumstände und Zeitpunkt erkennen.“ Wenn man das kann. Wie der Kriminalbiologe Mark Benecke zum Beispiel.

Der geborene Kölner ist mittlerweile ein international gefragter Spezialist auf dem Gebiet der forensischen Entomologie. Er hat zahlreiche Bücher geschrieben, ist gefragter Gastredner, Ausbilder von Rechtsmedizinern. Und er ist ein begnadeter Entertainer. In der fast ausverkauften Waschhaus-Arena ist Benecke, der Herr der Fliegen, jetzt gleich zweimal aufgetreten: Am Freitagabend ging es um „Gerüche und Leichen“, am Samstag stand die „Plötzliche Selbstentzündung beim Menschen“ auf dem Programm. Ein Mythos, wie er es selbst nennt: Plötzlich verbrennt ein Mensch, keine Zündquelle, immer sind die Unterschenkel noch da, rundherum ist nichts verbrannt – und fast immer sind die Personen weiblich und über 60 Jahre alt. Wie geschaffen für Benecke, der sich niemals als Pathologe bezeichnet wissen will: „Streichen Sie das aus Ihrem Wortschatz, das ist kompletter Unsinn“, sagt er. Ein Pathologe sei einer, der einfach nur Krankheiten auf den Grund gehe, an Leichen schnipple nur ein Gerichtsmediziner, so wie Benecke selbst. Leichen? Ja, klar, die gibt es zuhauf: Benecke selbst verschwindet auf der Bühne im Dunklen, es bleibt nur ein großer Bildschirm, auf den Benecke mit einem Laserpointer zeigt.

Neben all dem Infotainment über „Blut, Kot, Haare, Knochen und Sperma – alles, was man so auf dem Alex findet“ folgt ein leidenschaftlicher Appell an alle Hobbytüftler. „Das Unwahrscheinliche ist nicht unmöglich“, ist Beneckes Leitsatz. „Immer wie ein Kind denken und keine Annahmen von vornherein machen, dann hat man schon verloren. Dann kann man keine Kriminalfälle lösen.“ Er tröstet gleichzeitig das Publikum, dass mit dem Tod eben doch nicht alles zu Ende ist: „Auf Ihrer Leiche ist ordentlich was los, da kommen Bakterien, Fliegen, Maden – und Kriminalbiologen.“

In Belgien soll es letztens einen Fall einer spontanen Selbstentzündung gegeben haben, doch diesmal hatte die Dame Glück: Sie überlebte – und konnte also befragt werden. Doch wie entzündet sich ein Körper selbst? Da ist doch kein Benzin drin, höchstens Wasser, das kann zu Wasserstoff werden, Knallgas. Aber wo sei dann die Explosion? Die Leiche ist immer zu einer schwarzen, verkohlten Masse zusammengeschmolzen, die Beine sind angewinkelt - weil sich die Sehnen bei Hitze zusammenziehen, erklärt Benecke, ab und zu gebe es sogar eine „Brandamputation“, weil die Sehnen die Knochen brechen. Im belgischen Fall ließ sich gar das Feuer nicht löschen: Hat das etwas mit Natrium zu tun? Das brauche auch keine Zündquelle, mit Feuchtigkeit bilde sich Wasserstoff, das reicht schon, erklärt Benecke in die Totenstille in der Arena. Des Rätsels Lösung laut Benecke: Es gibt keine spontane Selbstentzündung beim Menschen. Wer hätte das gedacht. spy/ old

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