Landeshauptstadt: Touristen vor verschlossenen Türen
Die Händler im Holländischen Viertel sind aufgebracht, weil die Stadt das Ladenschlussgesetz durchsetzt
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Innenstadt - Gabriele Merrem ist verwarnt worden. Ihre Boutique „Ti Mijolis“ hatte am vergangenen Sonntag geöffnet – wie immer. Schließlich, erklärt die Besitzerin des Modeladens in der Mittelstraße des Holländischen Viertels, bringt der Sonntag ein Viertel des Umsatzes. Touristen kämen mit Vorliebe am Sonntag, um in dem zwischen 1734 und 1742 erbauten Viertel zu bummeln. Doch seit Jahresbeginn kontrolliert das Potsdamer Ordnungsamt in verschärfter Weise die Einhaltung des Ladenschlussgesetzes des Landes Brandenburg, das im Dezember 2010 novelliert wurde. Gabriele Merrem erhielt die Anordnung, ihr Bekleidungsgeschäft am siebenten Tag der Woche zu schließen. Ihr droht bei wiederholter Nichtachtung der Schließungsanweisung ein Bußgeld bis zu 5000 Euro.
Seit die Stadt durchgreift, ist im Holländischen Viertel nichts mehr wie es war: 90 Prozent der Einzelhändler drohe das Aus, prophezeit ein anonymer Einzelhändler in einem im Viertel kursierenden und mit „Sehr geehrter Herr Platzeck“ überschriebenen offenen Protestbrief.
42 Verstöße gegen das Brandenburgische Ladenöffnungsgesetz (BbgLöG) verzeichnete das Ordnungsamt am vergangenen Sonntag, informierte Stadtsprecherin Regina Haack auf PNN-Anfrage. Die Händler seien verwarnt worden; in Zukunft drohe auch ein Bußgeld, dessen Höhe „eine Ermessensfrage“ sei. „Wir können das Landesgesetz nicht ignorieren“, sagte die Stadtsprecherin.
Das sieht Wolfgang Cornelius (CDU) als Vorsitzender der AG Innenstadt auch so – wenn es „auch tragisch ist für viele Geschäfte im Holländischen Viertel“. 80 Prozent der dort verkauften Waren dürften laut Gesetz am Sonntag nicht über den Ladentisch gehen. Ausgenommen sind Blumen, Pflanzen, Zeitungen, Zeitschriften, Back- und Konditorwaren, Milch und Milcherzeugnisse sowie Waren, die für Potsdam typisch sind: In der Region erzeugte landwirtschaftliche und handwerkliche Produkte. Bei Cornelius rührt das BbgLöG an seinem „Gerechtigkeitsgefühl“, schließlich dürften Tankstellen am Sonntag „alles Mögliche“ verkaufen. Als Hauptbefürworter für das Gesetz sieht Cornelius die Kirchen, die die Einhaltung der Sonntagsruhe wünschten, „damit die Leute in die Kirche gehen“. Das nun rigide Vorgehen der Stadt gegen die Sonntagsverkäufer hat laut Cornelius einen konkreten Grund. Er wisse von mehr als einer anwaltlichen Androhung einer Untätigkeitsklage gegen die Stadt, sollte diese das Gesetz nicht durchsetzen. „Denkbar“ sei, dass diese Drohungen von Berliner Gewerbetreibenden kommen. Cornelius: „Die haben kein Interesse an Wettbewerbern.“ Stadtprecherin Haack wies diese These als falsch zurück.
Für Gabriele Merrem von der Boutique „Ti Mijolis“ war die Verwarnung vom letzten Sonntag „ein harter Schlag“. Sie besteht auf einer Ausnahme für Touristenviertel. Andernfalls will sie ihrer Tochter folgen. Die hat auf Mallorca einen Laden aufgemacht. Guido Berg
Das Video wurde uns freundlicherweise von PotsdamTV zur Verfügung gestellt.
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