Landeshauptstadt: „Trams nur für Schlanke“
Senioren wünschen sich bezahlbare Wohnungen, saubere Straßen und bequeme Straßenbahnen
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Einig waren sich die 26 Senioren im Bürgertreff Waldstadt über die neuen Vario-Bahnen: Die Trams böten keinen Platz für Gepäck, seien generell zu schmal gebaut. Eine Rentnerin sprach gar von „Heidi-Klum-Bahnen“, da sie nur für schlanke Fahrgäste geeignet seien.
Mit ihrer Kritik stießen sie kürzlich bei einer Diskussionsrunde auf offene Ohren. Denn genau wie Vertreter der Wohnungsgesellschaften und des Ordnungsamtes war Martin Grießner, Chef der Verkehrsbetriebe in Potsdam (ViP), zum Gespräch unter dem Titel „Senioren im Dialog – Ja zum Alter“ gekommen – um mit ihnen über Kritik und Anregungen, aber auch Lob der älteren Generation zu sprechen.
Der Kritik an den neu angeschafften Trams entgegnete Grießner: „Die grundsätzliche Breite der Bahnen von 2,30 Metern können wir auf Potsdams Straßen nicht verändern.“ Doch zumindest sagte er den Senioren „baldige Nachbesserungen an den Haltegriffen“ zu. Die wussten jedoch nicht nur Negatives zu berichten, sondern bedankten sich auch für die Hilfsbereitschaft vieler Busfahrer, zu denen sie „fast eine persönliche Beziehung“ entwickelten, und Pünktlichkeit trotz vieler Baustellen. Im Gegenzug versprach Grießner, dass die Verkehrsbetriebe bis zum Jahr 2015 über eine komplett barrierefreie Flotte verfügen wollen.
Zuvor wurden bei der Diskussion im Rahmen der 19. Brandenburgischen Seniorenwoche bereits Gewoba-Geschäftsführerin Christiane Kleemann und Matthias Pludra aus dem Vorstand der Potsdamer Wohnungsgenossenschaft 1956 ins Kreuzverhör genommen. Für die Senioren stand dabei im Vordergrund, dass Wohnraum für sie – in Zeiten wachsender Altersarmut – bezahlbar bleibe. Der Bereichsleiter für Wohnen, Hans-Joachim Böttche, erklärte ihnen, es sei „eine Gratwanderung“, jedes Jahr 1000 neue Wohnungen schaffen zu müssen und diese bezahlbar zu gestalten. Ähnlich sei dies bei Sanierungen, pflichteten ihm Kleemann und Pludra bei. Die Gewoba-Chefin warb zudem für das „Konvoi“-Projekt, bei dem „24 Mietparteien unterschiedlichen Alters in einem Haus“ unterkommen sollen. Das Gebäude im Bornstedter Feld sei im nächsten Herbst einzugsfertig. Auch er unterstütze gemeinschaftliche Wohnformen, doch nach seiner Erfahrung bliebe „jeder gern hinter seiner Haustür“. An die Verantwortung jedes einzelnen, mit dem Rentenalter über seine Wohnsituation nachzudenken, appellierte Lore Bertz, im Seniorenbeirat Leiterin der Arbeitsgruppe „Wohnen im Alter“.
Mit Andre Schimkiv, Leiter der Arbeitsgruppe Außendienst vom Ordnungsamt, waren sich die Senioren dagegen weitestgehend einig: Ein wichtiges Problem sei die allgemeine Sauberkeit der Stadt. Vor allem in Wohngebieten und Kiezen seien Parks von Hundekot und Gehwege von Zigarettenkippen und Abfall verschmutzt. Zudem hätten Graffitisprayer erst vor Kurzem erneuerte Haltestellen in der Waldstadt verschandelt. Schimkiv konnte nur zusichern, so viel wie möglich zu kontrollieren. Doch seine 27 Mitarbeiter könnten „nicht permanent überall sein“.
So resümierte Inge Gerlach vom brandenburgischen Landesseniorenrat, dass Toleranz, Verantwortung und Gemeinsinn für ältere, aber genauso für alle anderen Menschen notwendig seien. Ebenso zog der Potsdamer Seniorenbeiratsvorsitzende Wolfgang Puschmann ein positives Fazit: „Vor drei Jahren hatten wir zu dieser Runde fünf Teilnehmer, heute sind es 26.“ Daran lasse sich erkennen, dass die Senioren sich für ihre Interessen einsetzen müssten. Er bat auch um Unterstützung für den Seniorenbeirat der Landeshauptstadt, der dringend neue ehrenamtliche Mitarbeiter in seinen Arbeitsgruppen benötige. Holger Manigk
Holger Manigk
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