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Landeshauptstadt: Tränen und Gelächter

Nach emotional aufgeladener Verhandlung wird Ajmal K. wegen Totschlags an David Fischer verurteilt

Stand:

Die letzten Worte vor der Urteilsverkündung gehörten Ajmal K.: Unter Tränen und mit brüchiger Stimme versuchte sich der 18-jährige Afghane bei den Eltern des von ihm erstochenen David Fischer zu entschuldigen: „Es tut mir leid, dass Ihr Sohn gestorben ist. Ich würde alles tun, um es wieder rückgängig zu machen. Es tut mir leid.“ Die Eltern des im Alter von 20 Jahren getöteten Opfers schwiegen, hatten sich an den Händen gefasst. Die Mutter des jungen Angeklagten, die als Zuschauerin anwesend war, wischte sich wie ihr Sohn die Tränen aus den Augen.

90 Minuten später verurteilte das Landgericht Ajmal K. wegen Totschlags zu einer Jugendhaftstrafe von sieben Jahren. In ihrer Begründung machte die Vorsitzende Richterin Angelika Eibisch deutlich, warum sich die Zweite Kammer des Gerichts für das von Staatsanwalt Peter Petersen in seinem Plädoyer geforderte Strafmaß von sieben Jahren entschieden hatte. Die Verhandlung habe gezeigt, dass Ajmal K. einen Stich mit „erheblicher Gewalt“ gegen den in diesem Augenblick wehrlosen David Fischer ausgeführt habe. Denn zu diesem Zeitpunkt sei der vorher aggressiv auftretende Fischer ruhiger geworden, eine Person hätte zudem die Hand auf seine Schulter gelegt. „Bei Ihrem Stich haben Sie den Tod von David Fischer billigend in Kauf genommen und so eine Hemmschwelle überschritten“, sagte Eibisch, dem Angeklagten zugewandt.

Während ihrer Urteilsbegründung schilderte Eibisch noch einmal die Umstände der Tatnacht des 17. Juni vergangenen Jahres. Danach sei Ajmal K. an dem Abend mit einem Freund in die Bar „Quartier“ in der Charlottenstraße gefahren. Dort hätten auch David Fischer und seine Freunde gefeiert. Zwischen ihnen und einer anderen Jugendgruppe, der Ajmal K. nur bedingt zuzurechnen sei, habe es schließlich einen heftigen Streit um die Aufschrift eines T-Shirts gegeben. Wer die Auseinandersetzung begann, ließ die Richterin offen. In der Folge hätte Ajmal K. bereits das Lokal verlassen, während der Wirt des „Quartiers“ David F. und seinen Cousin Peter K. in einem Nebenraum zu beruhigen versuchte. Gleichzeitig sei die zweite Jugendgruppe – junge Leute deutscher und ausländischer Abstammung – des Hauses verwiesen worden. Doch seien David F. und Peter K. plötzlich wieder hinter dieser Gruppe hergerannt. Auf der Straße sei es dann zu einer Schlägerei gekommen, bei der das spätere Opfer zunächst sehr aggressiv aufgetreten sei. „Doch gerade als er ruhiger wurde kam unvermittelt der Stich mit dem Messer“, so die Richterin. Ajmal K. habe danach das Messer wieder an sich genommen, seinem Freund den Autoschlüssel zurückgegeben und sei danach geflüchtet: „Am nächsten Tag stellte sich der Angeklagte mit seinem Anwalt der Polizei.“

Als wichtigste Beweismittel wertete das Gericht ein in Auftrag gegebenes Gutachten über die Todesursache von David Fischer und die Zeugenaussage des bei der Massenschlägerei anwesenden 17-jährigen Kevin S.: Beides habe gezeigt, dass David Fischer nicht in das Schweizer Taschenmesser von Ajmal K. hineingelaufen sei, wie es der Angeklagte in seinem Geständnis vor Gericht geschildert hatte. Als positiv sei die Entschuldigung bei den Eltern des Opfers sowie das bis zu der Tat gewaltfreie Leben des Angeklagten zu werten. Im Anschluss an die Verlesung des Urteils zeigte sich der Anwalt der Eltern des Opfers, der frühere Potsdamer Richter Klaus Przybilla, zufrieden: „Unser Ziel ist erreicht: Die Eltern werden das faire und gerechte Urteil akzeptieren.“

Dagegen sprach Steffen Sauer, der Verteidiger von Ajmal K., von einem „zu harten Urteil“. Er hatte auf Körperverletzung mit Todesfolge plädiert. „Mein Mandant wollte David Fischer nicht töten und begriff erst danach, was er da getan hat.“ Auf sein gefordertes Strafmaß von drei Jahren erntete Sauer aus den vornehmlich mit Angehörigen und Freunden des Opfers besetzten Zuschauerreihen Gelächter. „Was ist daran lustig?“, fragte Sauer.

Auch die politische Diskussion nach dem gewaltsamen Tod von David Fischer spielte gestern eine Rolle. Unter anderem hatten rechtsextreme Zeitungen, aber auch Freunde des Opfers, die Gewalttat mit dem zeitlich nahen Angriff auf den Deutsch-Äthiopier Ermyas M. verglichen und das vergleichsweise geringe öffentliche Interesse an dem Tod David Fischers gegeißelt. „Vergleiche mit dem Fall Ermyas M. sind unzulässig“, sagte Staatsanwalt Petersen zu Beginn seines Plädoyers. Wenn Politiker meinten, an Krankenbetten gehen zu müssen, sei das ihre Sache. Es sei jedoch nicht erträglich, dass menschliches Leid gegeneinander aufgerechnet werde. „Die Staatsangehörigkeit spielte bei dem Angriff auf David Fischer keine Rolle.“ Damit betonte Petersen den unpolitischen Charakter des Geschehens: „Es gab keinen deutschfeindlichen Hintergrund. Wem das Ausländerrecht in Deutschland nicht passt, muss sich an den Gesetzgeber wenden, nicht an die Justiz.“

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