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Steffi Pyanoe.

© A. Klaer

Kolumne PYAnissimo: Träumen von einer Volksbadewiese

Kaufen Sie ruhig Lebkuchen und Glühwein. Ich denke noch mal an den Sommer zurück.

Stand:

Kaufen Sie ruhig Lebkuchen und Glühwein. Ich denke noch mal an den Sommer zurück. Er war so schön. Oder besser, ich denke schon an den nächsten. Und fantasiere mal ein bisschen. Im Sommer 2017 kann man an einer neuen Badestelle in Potsdam-West in die Havel hopsen. So wie sich das derzeit viele Potsdamer wünschen. Eine Idee, die sogar eine seltene fraktionsübergreifende Unterstützung findet. Die Stadt sperrt sich noch ein bisschen, wegen Naturschutz und weil man im Rathaus Zweifel hat, ob das Bad tatsächlich nötig ist. Es gibt ja schon zwei in Potsdam.

Tatsächlich, wenn man das Waldbad Templin mitzählt, stimmt das sogar. Aber wie war noch mal der Spruch: Kurze Beine, kurze Wege? Schicken Sie Ihren Zehn- oder Zwölfjährigen von Potsdam kilometerweit alleine nach Caputh? Ich denke jetzt mal zurück. Schulzeit, frühe Teenagerjahre. Die Sommer waren immer toll. Es hat irgendwie nie geregnet und es gab oft Hitzefrei. An solchen Tagen beeilte ich mich, nach Hause zu kommen, schlich mich an der wachsamen Großmutter vorbei, die mit dem Mittagessen wartete, und packte mein Badezeug zusammen. Ab gings ins Freibad.

Jede noch so popelige Kleinstadt wie die, aus der ich stamme, hatte eins. Dort war im Sommer die Hölle los. Die halbe Schulklasse war da. Wir Mädels lagen wie Heringe auf einer Decke, die Jungs ärgerten uns, aber das fanden wir ganz gut. Im Bad gab es ein paar Rentner, die immer da waren und deshalb so braun und schrumpelig aussahen wie getrocknete Datteln, sie waren uns richtig unheimlich. Am Kiosk gab man sein letztes Taschengeld aus für Bockwurst, Kekse und Eis, wenn man denn mal dran war. Schneller war es oft, durch den Zaun zu schlüpfen und vom Bäcker Kuchen zu holen. Manchmal schrieben wir nebenbei Hausaufgaben ab. Aber meistens realisierten wir erst abends zu Hause, dass da noch was war. Im Übrigen fuhren wir mit dem Rad. War ja alles nicht weit.

Heute ist das Freizeitbaden, sofern man nicht mal eben nach der Arbeit oder Schule halb legal an den Heiligen See geht, ein hochkompliziertes, lange geplantes Unterfangen. Ein Familienausflug am Wochenende, mit dem Auto die zehn Kilometer nach Templin, oder mit dem Bollerwagen zu Fuß durch den Babelsberger Park. Oder demnächst für einen Tag in die Erlebnis-Badelandschaft am Brauhausberg, vermutlich nicht ganz billig.

Wo ist die Leichtigkeit, mit der man früher einfach mal los fuhr – an den See oder ins Freibad? Ohne Eltern natürlich. Wo man ewig abhing, sich die Knie aufschlug, sich verliebte und manchmal auch seinen Fahrradschlüssel verlor. Dann brauchte man eine gute Freundin, die einem half, das Rad irgendwie nach Hause zu bekommen.

Ich wünsche mir, dass die Stadt das hinkriegt mit der neuen Badestelle. Die Potsdamer wollen nicht viel, sie haben ihre Vorstellungen schon abgespeckt. Eine Volksbadewiese mit Dixiklo und vielleicht einem Meter Sandstrand ohne Glasscherben, das wäre doch was. Vielleicht findet sich noch ein umtriebiger Eisstandbetreiber, der auch noch einen gescheiten Kaffee kocht. Die Tram dorthin gibt es bereits, und das Wasser zum Baden ist kostenlos.

Unsere Autorin ist freie Mitarbeiterin der PNN. Sie lebt in Babelsberg

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