
© Manfred Thomas
Von Michael Meyer: Trockentraining
Das deutsche Schwimm-Nationalteam übt im Potsdamer Luftschiffhafen für noch bessere Zeiten im Wasser
Stand:
Es sah ganz schön wacklig aus, als Jaana Ehmcke gestern auf einem Waveboard den kleinen Hang im Potsdamer Luftschiffhafen hinabrollte. „Ich dachte, ich muss sterben“, sagte sie hinterher. Kein Wunder – die Welt der 22-Jährigen ist nicht ein Brett auf zwei Rollen, sondern das Wasser. Ehmcke ist Freistilschwimmerin des Potsdamer SV im OSC. In dieser Woche aber absolviert sie mit der deutschen Schwimm-Nationalmannschaft daheim einen Athletik-Lehrgang. Trocken- training mit viel Hintersinn.
„Wir wollen unseren Schwimmern Defizite in ihrer Athletik aufzeigen und versuchen, diese Rückstände auszumerzen. Im Vergleich mit der internationalen Spitze sehen wir in diesem Bereich noch Reserven“, sagt Bundestrainer Dirk Lange. Der 46-Jährige lässt Deutschlands Top- Schwimmer in diesen Tagen am Havelufer erstmals seit vielen Jahren wieder gemeinsam in die neue Saison starten. „Die letzten Olympischen Spiele und Weltmeisterschaften haben gezeigt, dass bei gleicher Schwimmleistung der Schlüssel zum Erfolg auch im Rhythmus liegt. Hier in Potsdam wollen wir das Koordinationsvermögen der Schwimmer weiter verbessern und die Athleten noch ein bisschen mehr zu Athleten werden lassen.“
Dazu hat Lange, der nach Peking 2008 neuer Bundestrainer des Deutschen Schwimm-Verbandes (DSV) wurde, mit Dr. Dr. Homayun Gharavi einen DSV- Verbandsarzt und Regenerationsexperten mit in den Luftschiffhafen gebracht. Der 41-Jährige arbeitete auch schon in der US-Leichtathletik und fordert nun die Schwimmer mit ganz spezifischen Übungen. „Die sind anstrengend, werden mir aber zugute kommen, beispielsweise bei den Wenden, die ich auf den langen Strecken ja oft machen muss“, glaubt Jaana Ehmcke, die im November auf der Kurzbahn die Weltcups in Moskau, Stockholm und Berlin bestreiten soll und sich dann bei den Deutschen Meisterschaften für die Kurzbahn-EM qualifizieren will.
Ehmckes Heimtrainer Jörg Hoffmann hält den jetzigen Lehrgang für sehr wichtig. „Der war mal nötig. Vom Koordinationsvermögen her können die Aktiven noch etwas besser werden.“ Hoffmann ist beim Lehrgang Dirk Langes rechte Hand und einer der Hauptgründe, warum der Cheftrainer mit dem Nationalteam nach Potsdam kam. Die beiden kennen sich schon seit den 90er Jahren, als Hoffmann noch als Aktiver zur Weltspitze zählte und zwischenzeitlich bei Lange in Hamburg trainierte. „Ich finde die Zusammenarbeit mit Hoffi geil, denn er denkt und lebt ständig für seinen Sport“, erzählt der Bundestrainer. „Wir ticken gleich und rufen uns auch noch abends um zehn an, um neue Ideen zu diskutieren.“
Lange hält Hoffmann für einen „hervorragenden Trainer mit hervorragendem Gespür“, und erklärt dies so: „Wie er in nur wenigen Jahren gleich mehrere Schwimmer weit nach vorn gebracht hat, das ist alles andere als normal.“ Einer dieser Aktiven ist Felix Wolf, der bei den WM mit der 4mal-200-Meter-Staffel erst Europarekord schwamm und dann im Endlauf noch einmal Deutschen Rekord. „Diese Übungen an Land sind eine gute Schule fürs Wasser. Wir sind an Land alle keine Superathleten und haben überall Defizite, können jetzt aber lernen, unsere Körper noch besser zu beherrschen, und das dann im Wasser nutzen“, meint Wolf, der für die Kurzbahn-Weltcups in Moskau, Berlin und zum Abschluss in Singapur geplant ist.
Großes Ziel der Schwimmer 2010 sind die Europameisterschaften im August in Budapest. Felix Wolf will dort gern starten, „aber Priorität im nächsten Jahr hat mein Abi“, sagt der 20-Jährige, der in der nächsten Woche in die 13. Klasse der Potsdamer Sportschule kommt. Dort lernte einst auch Britta Steffen, ehe sie 2002 von Potsdam nach Berlin ging und später zum Superstar im Schwimmbecken avancierte. Gestern fehlte die 25-jährige gebürtige Schwedterin wegen Verpflichtungen für ihr Management im Luftschiffhafen. „Schön, mal wieder hier zu sein, ich habe hier viele alte Erinnerungen“, hatte sie am Dienstag erzählt. Heute ist sie wieder dabei, wenn die Aktiven zur „Teambildung“ in Drachenbooten Potsdam umrunden, am Sonntag werden sie und der Ex-Potsdamer Benjamin Starke bei derEinschulung zu den neuen Siebtklässler der Potsdamer Sportschule sprechen. Vor zwei Jahren hatte dort auch Jaana Ehmcke ihr Abitur gemacht.
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