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Landeshauptstadt: Über Barrikaden

An der Universität hat gestern unter breiter Beteiligung die Woche des Bildungsstreiks begonnen

Stand:

Sanssouci – In der Morgensonne spielt ein junges Pärchen Federball. „Das ist unser Art von Streik“, sagt die junge Frau mit der Sonnenbrille auf der Wiese am Uni-Campus Neues Palais. Ihr Freund versichert aber, dass man später noch ins Streik-Camp gehen wolle, und am Mittwoch auf jeden Fall demonstrieren. Das sagen viele an diesem Montagvormittag. Es ist der erste Tag in der Woche des Bildungsstreiks. Die Eingänge zu den Lehrgebäuden der Universität Potsdam sind mit Tafeln, Stühlen und Schränken verbarrikadiert. Studierende verteilen ein „Alternatives Vorlesungsverzeichnis“.

In dieser Woche sollen die Studierenden für bessere Bildung auf die Straße gehen. „Nachdem die Unileitung von der strikten Ablehnung des Streiks abgewichen ist, sind viele Dozenten auf den Zug mit aufgesprungen“, sagt einer der beiden Studenten, die vor dem Hauptgebäude Flyer verteilen. Entweder diskutieren die Dozenten in ihren Lehrveranstaltungen Inhalte des Streiks, oder sie haben prüfungsrelevante Sachen auf die kommende Woche verschoben.

Hier und da zwängen sich doch einige Studierende und Dozenten durch die Barrikaden in die Gebäude. Die Streikposten lassen sie gewähren. Man will die wichtigen Anliegen des Streiks nicht durch unnötige Streitereien diskreditieren, sagt Physik-Student Alexander. Und tatsächlich, wer unbedingt studieren will, den lässt man gewähren. Einige Dozenten geben ihre Vorlesungen unter freiem Himmel, etwa vor einem der großen Zelte des Streik-Camps. Zwischendurch ruft Streikführerin Claudia Fortunato mit dem Megafon zur Vorbereitung der Demonstration am Mittwoch auf. Die Teilnehmer der Vorlesung lassen sich nicht weiter stören. Überhaupt läuft der Streik sehr besonnen und mit großer Gelassenheit ab.

Sie sei positiv überrascht sagt Fortunato den PNN. Mit so viel Teilnahme gleich am Morgen des ersten Streiktages habe sie nicht gerechnet. Vor allem auch nicht von Seiten der Dozenten. Tatsächlich sind überall auf dem Campus Grüppchen anzutreffen, die diskutieren oder etwas vorbereiten. Eine handvoll Studentinnen ist vor dem Audimax damit beschäftigt, Plakate für die Demo zu schreiben: „Diagnose – Bachelor-Psychose“ und „Reiche Eltern für alle“ ist zu lesen. Eine Studentin sagt, dass ihnen vor allem der neue Studienabschluss Bachelor zusetze: „Zu verschult, zu wenig Freiräume und nun auch noch mit reglementiertem Übergang zum Master-Studium.“

Die Studierenden gehen gegen überfüllte Seminare, gestrichene Studiengänge, die Umsetzung des Bologna-Prozesses und das brandenburgische Hochschulgesetz vor. Die Hochschulen würden heute zu „selektiven Lernfabriken“. Überall in Potsdam passiert in der bundesweiten Streikwoche etwas, Vorlesungen auf dem Luisenplatz, Streik in Golm, Griebnitzsee und auch an der Fachhochschule (heute Diskussionsforum „5 vor 12“ im neuen Hauptgebäude/Pappelallee), sogar in der Regionalbahn nach Berlin sollen Streikseminare laufen. Ein paar Gegner gibt es aber auch. Der konservative RCDS lehnt den Streik ab, weil er den Studenten nur schade. Und ein Mann vor den Barrikaden spricht gar von einem Seitenschneider, mit dem er sich Zugang verschaffen wolle.

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Am Mittwoch 17. Juni findet in der Potsdamer Innenstadt eine Demonstration zum Bildungsstreik statt. Start ist um 11 Uhr mit einer Kundgebung am Bassinplatz. Ab 12 Uhr bewegt sich der Demonstrationszug durch die Innenstadt, um 15 Uhr endet die Demo mit einer Abschlusskundgebung wiederum am Bassinplatz. Es schließt sich eine Feier mit Kultur und diversen Bands an. Weitere Informationen zu Streik und Demo im Internet unter http://bildungsstreikpotsdam.blogsport.de/. PNN

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