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Exponat aus der Kälte. Ines Reich und Jean Urwich mit der Wattejacke, die Vater Johann Urwich in Workuta trug.

© Manfred Thomas

Landeshauptstadt: Über die „Heimat des Teufels“

60 Jahre Aufstand von Workuta: Gedenkstätte Leistikowstraße eröffnete Sonderausstellung über das Straf- und Arbeitslager jenseits des Polarkreises

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Eine Darstellung des sowjetischen Straf- und Arbeitslagersystems Gulag war in der Dauerausstellung der Gedenkstätte Leistikowstraße bisher nicht zu sehen. Seit Freitag ist diese Lücke zeitweise geschlossen: Anlässlich des 60. Jahrestages des Bergarbeiteraufstandes von Workuta weihten Horst Schüler, Sprecher der Lagergemeinschaft Workuta, und Brandenburgs Kulturstaatssekretär Martin Gorholt (SPD) in dem ehemaligen sowjetischen Geheimdienstgefängnis eine Ausstellung über das berüchtigte Arbeitslager nördlich des Polarkreises ein. 2004 war die von Horst Schüler und mit Hilfe des Volksbundes deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. erarbeitete Ausstellung „Workuta – Zur Geschichte eines sowjetischen Straflagers“ bereits einmal in der Leistikowstraße zu sehen, wie die Gedenkstättenleiterin Ines Reich sagte.

Nach einer bewegenden Rede erntete der ehemalige Workuta-Häftling Horst Schüler langen Beifall. Am 1. August 1953 waren die vom Tod Stalins sowie dem Arbeiteraufstand am 17. Juni 1953 in der DDR zum Streik ermutigten Bergarbeiter von Workuta durch Geheimdiensttruppen brutal zusammengeschossen worden. 64 Häftlinge wurden getötet, so Schüler, darunter zwei Deutsche.

Mit deutlichen Worten verurteilte Schüler Versuche, die ehemaligen deutschen Workuta-Häftlinge in die Nähe von Rechtsextremen zu drängen. Dies seien „infame Unterstellungen“. Schüler würdigte „alle, die sich in den zwölf Jahren Nazidiktatur nicht wegdrückten“. Die beinahe industriell anmutende Ermordung der europäischen Juden nannte Schüler „eine bedrückende Schuld, die noch Generationen zu tragen haben“.

Ferner würdigte Schüler den frühen Widerstand in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ). Viele Ostdeutsche, die gegen Errichtung einer neuen Diktatur nach 1945 aufbegehrten, wurden zunächst im Untersuchungsgefängnis Leistikowstraße inhaftiert, um von dort in Postwaggons getarnt zur Erschießung nach Moskau oder nach Workuta gebracht zu werden. Workuta, sagte Schüler, war vor 80 Jahren nur der Name eines Flüsschens. Schon vor 200 Jahre hätten britische Forscher die riesigen Kohlevorkommen im Petschora-Becken entdeckt, doch Zar Alexander I. habe den Abbau wegen der dortigen Kälte bis minus 60 Jahre abgelehnt. „Stalin hatte diese Skrupel nicht“, so Schüler. Die Russen bezeichneten die Region als „Heimat des Teufels“. Tausende Deutsche starben in Workuta, aber auch noch auf dem Rücktransport oder im Heimkehrerlager Frankfurt/Oder, sagte Oliver Breithaupt vom Landesvorstand des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge. Etwa 10 000 Tote werden auf einem Gräberfeld nahe des dortigen Bahnhofs vermutet, so Breithaupt.Guido Berg

www.gedenkstaette-leistikowstrasse.de

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