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Zeitzeuge. Ralf J. Leiteritz studierte 1990 bis 1996 in Potsdam.

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Homepage: Über Nacht verschwunden Studieren in den Gründerjahren der Uni

In diesem Jahr begeht die Universität Potsdam ihr 20-jähriges Jubiläum. Die PNN lassen gemeinsam mit der Hochschule wichtige Erinnerungen aus diesen 20 Jahren wach werden.

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In diesem Jahr begeht die Universität Potsdam ihr 20-jähriges Jubiläum. Die PNN lassen gemeinsam mit der Hochschule wichtige Erinnerungen aus diesen 20 Jahren wach werden.

Meine Studienzeit an der damaligen, erst kurz zuvor reformierten Hochschule für Recht und Verwaltung (HRV) begann am 1. Oktober 1990. Ich habe also noch zwei Tage in der DDR studiert. Im Herbst 1990 kam dann der brandenburgische Wissenschaftsminister Hinrich Enderlein und verkündete vor versammelter Mannschaft das Ende der HRV und ihre Überführung in die Brandenburgische Landeshochschule, die spätere Universität. Ich kann mich noch gut an diverse Protestaktionen der Studenten erinnern, wobei der Protest der betroffenen Professoren nach meiner Erinnerung eher verhalten ausfiel. Sie schienen ihr Schicksal, in den meisten Fällen den Verlust ihres Arbeitsplatzes, mehr oder weniger fatalistisch zu akzeptieren. Abgesehen von einigen Gastprofessoren von der FU Berlin stammte die Mehrzahl der Professoren noch aus DDR-Zeiten. Die meisten von ihnen verschwanden mehr oder weniger über Nacht im Zuge der Abwicklung der HRV.

Diese Zeit empfand ich auf der einen Seite als recht chaotisch, aber auch ungemein aufregend und spannend. Plötzlich tauchten neue Professoren auf, viele davon aus den alten Bundesländern und oft nur mit kurzfristigen Lehraufträgen. Abgesehen von den verbliebenen Dozenten aus der HRV wechselte das Lehrpersonal zwischen 1991 und 1994 praktisch jedes Semester. Das hatte natürlich auch positive Seiten: So hatten wir recht interessante Lehrveranstaltungen mit ausländischen Professoren, unter anderem zur USA-Außenpolitik oder zur Politik in Lateinamerika. Auf der anderen Seite fehlte mir aber die andauernde Präsenz von Professoren beziehungsweise Lehrstuhlinhabern, an die man sich „gewöhnen“ konnte. Gleichzeitig verringerte sich die Anzahl der angebotenen Lehrveranstaltungen, vor allem im von mir gewählten Schwerpunktbereich Internationale Beziehungen und Außenpolitik, und das Studium wurde klar auf Politikwissenschaft nach herrschendem bundesdeutschen Standard getrimmt.

Als Student aus den neuen Bundesländern – ich stamme aus Leipzig – war ich an Veränderungen „über Nacht“ aus den Jahren 1989/90 noch ganz gut gewöhnt. Insofern störten mich die Veränderungen an der Potsdamer Uni nicht signifikant. Eher im Gegenteil: In den meisten Fällen bereicherten sie für mich das Studium. Im Großen und Ganzen hatte ich zwischen 1990 und 1996 eine wunderbare Zeit in Potsdam. Ich fühlte mich während des Studiums bereichert, wenn auch nicht immer ausreichend herausgefordert oder motiviert. Nach meiner Ansicht waren die Anforderungen an die Studierenden relativ gering. Als ich dann im Herbst 1994 für ein Austauschjahr an die Duke University in die USA ging, merkte ich, wie wenig ich auf diese Herausforderung durch mein Studium in Potsdam vorbereitet war.

Meine Zeit an der Universität Potsdam hat mir sprichwörtlich die Augen für die Welt geöffnet. Hier konnte ich mein Wissen über andere Regionen der Welt erweitern. Die relativ geringe Anzahl an Studenten erlaubte eine sehr intensive Betreuung und Nähe zu den Dozenten. Das Leben im Wohnheim, teilweise mit drei bis vier anderen Studenten im selben Zimmer, übte Toleranz. Ich bin sehr dankbar für diese Erfahrungen und sie haben zweifelsohne dazu beigetragen, dass ich meine professionelle und akademische Karriere im Ausland fortgesetzt habe.

Der Autor war zwischen 1990 und 1996 Student der Universität Potsdam.

Ralf J. Leiteritz

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