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Links und rechts der Langen Brücke: Überschuss

Henri Kramer über Konsequenzen aus den überraschend positiven Haushaltszahlen der Stadt Potsdam

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Eigentlich ist es eine gute Nachricht: Potsdam hat im Jahr 2008 keinen ausgeglichenen Haushalt produziert, sondern Millionen Euro mehr erwirtschaftet als bisher allgemein erwartet. Von mehr als 30 Millionen Überschuss geht der erste Entwurf für 2008 aus, den die Kämmerei unter Finanzdezernent Burkhard Exner (SPD) jetzt – mit zwei Jahren Verzug – einem völlig verdutzten Oberbürgermeister Jann Jakobs und drei nicht minder entgeisterten Beigeordneten vorlegte. Zugleich musste Exner auch noch bestätigen, dass 2009 und 2010 in Potsdam der Haushalt wesentlich besser dasteht als bisher angenommen und von enormen zusätzlichen Schuldenbergen wohl keine Rede mehr sein kann. Das passierte wohlgemerkt während einer Sitzung, bei der es eigentlich ums Sparen gehen sollte. Dass Exners Dezernentenkollegen, die bei Themen wie der Ausstattung von Kulturhäusern oder der Einstellung von Sozialarbeitern in den vergangenen Jahren in langen Sitzungen um jeden Cent feilschen mussten, angesichts der frohen Finanzbotschaft nicht in Begeisterung verfielen und verständlicherweise stinksauer ob der Geheimniskrämerei des Kämmerers sind, liegt auf der Hand. Zugleich hat Exner seinem Chef eine Peinlichkeit beschert, weil Jakobs noch vergangene Woche medienwirksam mehr Geld für die Landeshauptstadt gefordert hatte und von seinem Kämmerer im Unklaren über die Haushaltssituation gelassen wurde.

Unklar ist nun, wie viele Monate oder Wochen Exner die tatsächliche Lage der Potsdamer Finanzen bekannt war und so die Spielräume der Stadtpolitik künstlich eingeschränkt waren. Welche zeitraubenden Debatten wären Potsdam womöglich erspart geblieben, wenn die Haushaltszahlen eher durchgesickert wären? Zudem sind durch den strikten Sparkurs der vergangenen Jahre manchmal paradoxerweise zusätzliche Kosten entstanden – etwa im Jugendamt, in dem Mitarbeiter wegen der finanziell bedingten miserablen Besetzung der Behörde im Familienbereich viele Hilfeleistungen an externe Anbieter geben mussten, die aber viel teurer waren. All solche Fragen müssen nun geklärt werden. Das hat Jakobs zugesagt. Und sollte sich nun herausstellen, dass Exner seine Planzahlen an der Realität vorbeigerechnet hat und er dies länger wusste, sind Konsequenzen notwendig, weil er seinem Dienstherren die Finanzlage nicht einfach verschweigen darf. Zudem hat die Art, wie der Überschuss bekannt wurde, der Stadt einen weiteren Bärendienst beschert: Natürlich ist Potsdams finanzielle Lage immer noch von Schulden gezeichnet. Doch die dafür nötige Spardisziplin wird es so schnell nicht mehr geben – wer will angesichts solcher Überraschungen dem Kämmerer noch trauen?

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